Hier im Blog stand bis eben ein Bericht über einen Anruf einer Telefonfirma aus Berlin.
Den hab ich (erstmals seit ich „im Internet“ bin, übrigens) gerade wieder rausgenommen. Weil ich eine „Inkenntnissetzung“ betitelte Mail und (unabhängig voneinander) ein Schreiben einer Anwaltskanzlei namens ADVOVOX erhalten habe.
Was eine solche „Inkenntnissetzung“ ist, könnt Ihr erfahren, wenn Ihr Udo Vetters Vortrag bei der re:publica 2010 mal anschaut (Video am Ende). In groben Worten: Für fremde Inhalte, wie in den Kommentaren, bin ich nur verantwortlich, wenn ich Kenntnis davon habe, dass sie da sind. Oder, bei besonders „riskanten“ Themen, wenn ich darüber Kenntnis habe, dass jemand in den Kommentaren mal die Sau rauslassen und durchs Dorf treiben will.
Da gab es mal einen inzwischen verstorbenen Rechtsanwalt (über den ich vor 15 Jahren in der c’t geschrieben habe), der bei Artikeln über ihn die Onlinemagazine in Kenntnis setzte, dass mit bösen Forenkommentaren zu rechnen sei – und damit hatten die Admins eine ziemliche Kontrollpflicht und klemmten die Foren oft ganz ab.
Ich wurde nun von jemand, der behauptet, Rechtsanwalt zu sein, in Kenntnis gesetzt, dass mit trolligen Kommentaren zu rechnen sei. Er behauptet dabei nichteinmal, dass irgendwer ihn zur Vertretung irgendjemandes Interessen beauftragt habe.
Komisch – vielleicht hätte er mal versucht, etwas zu kommentieren? Die Kommentare sind nämlich zur Abwehr von Verlinkern moderiert (Ätsch!). Aber weg glaubt, ein Gratiskonto bei GMX mit Reklame in der Signatur sei bei einer Anwaltskanzlei, die „was im Internet“ macht, glaubwürdig, denkt vermutlich nicht so weit.
Doch diese Blödheit ist nicht das einzige, was mich stutzig gemacht hat. Ein Blick in mein Impressum hätte ihm gezeigt, dass die IP-Adressen zwischengespeichert werden. Das heisst, ich kann über die IP-Adressen feststellen, welche Bewegungen ein Besucher hier im Blog gemacht hat. Und da GMX die IP-Adresse des Mailabsenders in den Header-Zeilen unterpringt, waren seine Zugriffe leicht zu finden: Eine IP-Adresse hat heute um 14 erst den Primacall-Artikel gelesen, dann mein Impressum und innerhalb der nächsten Minuten rund 30 Mal den ursprünglichen Artikel. Ui, denkt man da.
Ratet mal, wo die Adresse laut www.utrace.de örtlich anzunähern ist.
Berlin?
Ha, das wäre zu einfach.
Hamburg?
Weit gefehlt!
Offiziell in Duisburg. Und sie gehört dem Rechenzentrum einer großen Chemiefirma, die auf der Stadtgrenze von Duisburg und Krefeld sitzt.
Und jetzt ratet mal, wessen Webmaster ich eben schon angeschrieben und über diese Zugriffe aus seinem Netz heraus in Kenntnis gesetzt habe.
Da mich mit dieser EMail irgendjemand nur ärgern wollte, habe ich den Artikel deshalb nicht gelöscht. Die „Inkenntnissetzung“ hab ich eben schon in der Straßenbahn gelesen und mich köstlich über die Schreibfehler und die unjuristische Wortwahl amüsiert. Danke dafür, you made my day.

Professioneller war hingegen das Schreiben der Anwaltskanzlei ADVOVOX. Diese ist tatsächlich in Berlin ansässig und hat ihre Büros im gleichen Gebäude, wie Primacall.
Sie fordern mich zur Löschung des Beitrages auf und beziehen sich auf insgesamt vier konkrete Formulierungen. Zum einen hänge ich nicht an den Formulierungen, zum anderen bezieht sich die unterzeichnende Anwältin auch konkret auf das Kernproblem des Telefonnummernsammelns via Internet-Gewinnspiel. Darauf werde ich hier in den nächsten Tagen genauer eingehen, denn ich meine, dass ein Opt-In, durch das Primacall und andere eine Erlaubnis für Telefonwerbung zu erhalten glauben, auf diese Weise so gut wie gar nicht möglich ist – ein einfaches Opt-In reicht wegen des Missbrauchsrisikos meines Erachtens nicht, ein doppeltes Opt-In ist zwar nicht unmöglich, würde aber bei jeder Rufnummer einen Rückruf bedeuten.
Dazu kommt, dass das Schreiben zwar deutlich, aber nicht unfreundlich oder überzogen formuliert ist. Ein Brief mit einfacher Post ohne Anwaltsrechnung und mit einer angemessenen Frist – das nimmt aller Empörung den Wind aus den Segeln.
Warum, fragte ich mich, eskalierte der Streit mit dem Spreeblick derart? Ich möchte dazu Johnny Häusler zitieren (Hervorhebung von mir):

Im letzten Jahr meldete sich Primacall erneut und forderte uns diesmal ohne anwaltliche Unterstützung auf, den Artikel inkl. der Kommentare zu löschen, da lt. Primacall einige Äußerungen unseres Interviewpartners, der 2007 seine Aussagen in der RBB-TV-Sendung „Klipp und Klar“ wiederholt hatte, nicht korrekt wären.

Der Primacall-Artikel ist zwar abgeschaltet, aber diejenigen, die noch meine vorbereitete Datenschutzanfrage nach T5F-Muster herunterladen wollen, können dies über diesen Link. Und der Primacall-Artikel kommt wieder, wenn ich die von ADVOVOX bemängelten Passagen überarbeitet habe.

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