Wir haben es wohl alle mitbekommen: Gerade sterben die Insekten aus. Die fliegenden Insekten sind in den letzten 27 Jahren um 75% weniger geworden, zitiert der NABU eine Studie.

Das natürliche Gleichgewicht ist keines und war nie eines. Es ist ein ständiges auf und ab, ein hin und her. Im einen Jahr gibt es viele Mücken, die noch viel mehr Eier in Wasserstellen ablegen, und in den nächsten 1-2 Folgejahren gibt es viele Frösche, deren Kaulquappen ein reiches Büffet an Mückenlarven fressen konnten.

Stillstand existiert nicht und die Evolution geht sehr viel zielgerichteter und schneller voran, wenn eine Spezies mal durch ein Nadelöhr hindurch muss. Auf diese Weise entwickelte sich aus den ersten Einzellern das, was wir heute als Natur wahrnehmen: Pflanzen, Tiere, Pilze, Einzeller.

Aber das, was den Insekten gerade passiert, ist ist kein Nadelöhr. Es ist nicht eine Spezies betroffen, die in einer so harten Situation ist, dass nur die wenigen, die an diese Situation angepasst sind, überleben. Es sind die Fluginsekten.

Etliche unterschiedliche Spezies. Ganze Nahrungsketten, die unterbrochen oder komplett verschwunden sind.

Und das ist schlimm. Fluginsekten sind erforderlich, um die in der Natur wild lebenden Pflanzen  zu bestäuben. Manchen Arten reicht zwar der Wind, um Pollen zu verbreiten, andere können sich selbst bestäuben, aber das Aussterben von Fluginsekten wird zum Aussterben vieler Pflanzenarten führen.

Wie kommt es zum Aussterben?

Ist Glyphosat am Insektensterben schuld?

fragt der SWR und beantwortet das gleich mit einem Widerspruch:

Wohl kaum. Die genauen Ursachen des Insektenschwundes sind zwar noch nicht geklärt. Die intensive Landwirtschaft dürfte dabei schon eine Rolle spielen – auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Zum Beispiel die inzwischen berüchtigten Neonicotinoide, die ja genau dafür eingesetzt werden, um Pflanzen vor Insekten zu schützen. Denen wird schon eine Mitschuld am Insektensterben gegeben – und was die Bienen betrifft, gibt es dafür auch sehr handfeste Belege. Glyphosat dagegen wird nicht gegen Insekten eingesetzt, sondern gegen alle möglichen Pflanzen, die Landwirte nicht auf dem Acker haben wollen und die sie deshalb als Unkraut bezeichnen. Man muss sogar sagen: Unter allen Herbiziden gilt Glyphosat als eines, das Insekten wenig schädigt.

Natürlich töten Neonicotinoide, die auf Pflanzen gesprüht werden, Insekten sofort und vorsätzlich, während Glyphosat bei Pflanzen in Stofwechselkreisläufe eingreift, die in der Tierwelt nicht existieren (es zerstört das Chlorophyll). Aber die Pflanzen, die es zerstören soll, sind auch Lebensraum und Nahrung von Insekten.

Von einer desaströsen indirekten Wirkung schreibt daher auch der Deutschlandfunk:

Im Rahmen der Neuzulassung in der EU hatte das Umweltbundesamt den Auftrag, die Folgen für die Umwelt zu prüfen – und erkannte deutliche Probleme. Glyphosat blockiert einen Stoffwechselweg, der bei Mensch und Tier nicht vorkommt. Deswegen gilt es eigentlich als sehr verträglich für Insekten und Vögel. Desaströs dagegen die indirekte Wirkung. Wenn auf großen Teilen der Landschaft der gesamte Pflanzenbewuchs abgetötet wird, fehlt dem Ökosystem die Nahrungsbasis. Ginge es nach dem Umweltbundesamt, dürften Herbizide mit diesem Wirkstoff in Zukunft nur noch mit Auflagen eingesetzt werden. Bauern müssten Ausgleichsflächen wie Brachen und Blühstreifen an den Feldrändern einrichten, als Rückzugshabitate für gefährdete Arten.

„Wir halten das in der Tat für eine zwingende Voraussetzung für den weiteren Einsatz und die weitere Genehmigung von Glyphosat. Denn der Verlust an biologischer Vielfalt, den wir zurzeit feststellen, ist inakzeptabel auch im Sinne des Pflanzenschutzrechtes.“

Glyphosat wird derzeit auf Äckern unmittelbar nach der Aussaat gespritzt damit die Kulturpflanzen keine Konkurrenz haben. Wenn die Kulturpflanzen – Getreide, Mais oder Raps zum Beispiel, aber auch Kohl, Kartoffeln oder Rüben – dann hoch gewachsen sind, haben die Unkräuter nur eine stark reduzierte Chance, zu wachsen. Insbesondere bei Getreide und Mais bekommen sie nicht mehr ausreichend Licht.

Das ist gut für den Landwirt, es ist effizient, unterbricht aber die Nahrungskette innerhalb der Insektenwelt.

Glyphosat ist hier natürlich nur einer de Wirkstoffe, aber durch seine große Verbreitung sozusagen Platzhalter und Synonym für eine Landwirtschaft, die in Deutschland große Flächen einnimmt und das Bisschen Natur, das sich auf ihnen ausbreiten kann immer weiter reduziert.

Und Glyphosat ist nicht mehr als nur Platzhalter. Die Industrie (Monsanto und/oder Bayer Crop Science, die ja gerade Monsanto aufgekauft haben) arbeitet an genmanipulierten Nutzpflanzen, die gegen Glyphosat immun sind. Das steigert die Effizienz der Landwirtschaft nochmal – man kann mit einfachem, personalsparendem großflächigem Spritzen der Anbauflächen auch bei bereits grünen Nutzpflanzen Glyphosat anwenden – schließlich sind sie so manipuliert, dass ihr Chlorophyll nicht zerstört wird.

Das reduziert die Vielfalt der wilden Pflanzenwelt nochmal mehr. So konnte Monsanto beispielsweise in Burkina Faso derart manipulierte Baumwolle auf mehr als 70% der Anbauflächen etablieren, was aber mit diesem Jahr per Entzug der Zulassung für dieses Saatgut beendet wurde, da die Qualität der manipulierten Baumwolle nicht befriedigend ist.

Abgesehen davon ist es ein sehr trauriger Neokolonialismus, wenn man Entwicklungsländer durch Beeinflussung ihrer Regierung von Ackerbaumethoden abhängig macht, die direkten Gewinn in die Kassen global agierender Quasi-Monopolisten spülen. Um beispielsweise weniger Wirtschafts Hungerflüchtlinge aus Afrika zu verzeichnen, wäre es eben genau zielführend, Unternehmen diese Geschäfte sauer zu machen.

Aber zurück von der Weltpolitik zu den 75% unserer Fluginsekten, die verschwunden sind.

Es gibt noch andere Stellen, an denen wir es den Insekten schwerer machen als nötig.

Das fiel mir gerade nach dem Sturmtief Friederike auf. In „unserem“ Waldstückchen, in dem wir regelmäßig mit dem Hund spazieren gehen, hat die Dame auch ordentlich durchgeweht und Kleinholz verursacht.  Kleinholz, bei dem danach „aufgeräumt“ wurde. Baumstämme wurden zerlegt und landen nach der Trocknung vemutlich in Kaminen, viele Äste wurden abtransportiert.

Auch nach der Aufräumaktion drohen einzelne Bäume noch umzufallen

Auch nach der Aufräumaktion drohen einzelne Bäume noch umzufallen

Es ist verständlich, Wälder sicher machen zu wollen. Menschen, die beim Sonntagsspaziergang von einem dicken, herabstürzenden Ast erschlagen werden, will man natürlich vermeiden. Andererseits muss meiner Meinung nach das Sichern auch ausreichen.

Als Jugendlicher habe ich viel mit einem Pflanzen- und Insektenbestimmungsbuch gearbeitet, insbesondere die krabbeligen Insekten waren für mich eine Herausforderung. Zuerst dachte ich, dass es ja lustig sei, wie viele Insekten ihr Larvenstadium in „modernem Holz“ verbringen, bis ich dann den Lesefehler bemerkte: Es war moderndes Holz. Also die umgefallenen Bäume und abgebrochenen, dickeren Äste, die auch Friederike verursacht hat.

Einer der wenigen toten Baumstämme, die nicht zu Kaminholz wurden – eine der letzten „Kitas“ für Insekten.

Dieses Holz gefährdet. wem es mal am Boden liegt und halt modert, niemanden mehr. In unseren Wäldern muss es aber ordentlich sein, weshalb schon das Unterholz (also Büsche, die dort eigentlich hin gehören) fehlt. Aber eben auch die Kindergärten für etliche Insektenarten.

Um es kurz zu fassen: Am aktuellen Insktensterben ist unsere gesamte Lebensweise schuld. Sogar in der Biolandwirtschaft dürfen Herbizide und Insektizide benutzt werden (nur halt weniger effiziente als Neonocotinoide und Glyphosat).

Wachstum um jeden Preis verdrängt nun einmal zwingend etwas anderes.