Greta Thunberg muss man lieben oder hassen. Irgendwas dazwischen geht nicht. Wir können aber nur dann die Klimakatastrophe eindämmen, wenn wir alle zusammenarbeiten. Und genau deshalb müssen wir auf Greta Thunberg hören.

Klingt komisch, ist aber so.

In der Oberstufe, also ungefähr ab 1982, habe ich drei Dinge über fossile Energieträger (Öl, Kohle, Gas) gelernt:

  • Ihre Nutzung setzt klimaschädliches CO2 frei, das Ewigkeiten in ihnen gebunden war
  • Ein Anstieg des CO2-Anteils in der Atmosphäre führt zum Treibhauseffekt
  • Fossile Energieträger sind endlich und wir sollten in unserer Generation dringend dafür sorgen, dass wir von ihnen los kommen.

Das hat sich nicht geändert. Was wir in der Zwischenzeit getan haben war:

  • neue Technologien einführen, damit der Saure Regen, den Abgase verursachen, weniger Schäden anrichtet
  • FCKW verbieten, um das Ozonloch zu flicken.
  • den Katalysator unter Autos schrauben, damit aus Stickoxyden (NOx), Kohlenwasserstoffen und Kohlenmonoxyd (CO) Stickstoff, CO2 und Wasser wird

Alles drei hat geklappt und eine Menge bewirkt, aber weder was gegen den Anstieg von CO2 getan noch uns unabhängig von fossilen Energien gemacht.

Dafür haben wir uns global zu viel selber auf die Schulter geklopft.

1992 wurde zwar die Agenda 21 beschlossen, die insbesondere auf lokaler Ebene Klima- und Nachhatigkeitsaktionen nach dem Motto „global denken, lokal handeln“ starten sollte, aber irgendwie dann doch versandet ist.

„Hey, das Ozonloch ist fast wieder zu, der Wald stirbt nicht mehr am sauren Regen, alles gut!“

Nein, nicht alles ist gut, das ist nur der Anfang gewesen.

Denn der CO2-Gehalt der Luft steigt nach wir vor und die fossilen Energieträger sind fast 40 Jahre näher an ihrem Ende als 1982. Mit umstrittenen Methoden wie Fracking wird das Ende des Erdgases noch eine Weile hinausgezögert, aber es wird kommen.

Irgendwann musste sich was oder jemand bewegen, wenn wir die beginnende Klimakatastrophe bremsen wollen. Und das passierte letztes Jahr durch den Schulstreik für das Klima, den Greta Thunberg ins Leben gerufen hat.

„Aber das geht total an die Essenz unseres freien Lebens. Ohne Auto ist man ja natürlich sozusagen quasi bewegungsunfähig und wie soll man ohne Auto am Sonntag die Brötchen holen?“

So klingen manche Argumente, wenn man sie mal zu Ende denkt.

Batterieelektrische Autos haben, gemessen am Preis, eine mitunter schmerzhaft begrenzte Reichweite, und das Aufladen dauert viel zu lange, wenn man Tankstellen gewöhnt ist.

Natürlich wären Energieträger wie effizient erzeugter Wasserstoff da schon besser.

Bloß: Wir haben weder die Technologie, um das alles eben effizient und CO2-neutral zu machen, noch die Infrastruktur. Strom – wie auch immer der erzeugt wurde – haben wir aber in faktisch jeder Ecke der westlichen Länder.

Wasserstoff hat Stand 2019 gleiche mehrere Probleme:

  • Ihn elektrisch zu erzeugen kostet mehr Kilowattstunden Strom als nachher im Fahrzeug an nutzbarer Energie landen
  • Es gibt faktisch keine Wasserstoffinfrastruktur wie Tankstellen,
  • Brennstoffzellen erzeugen aus Wasserstoff auch nur verlustbehaftet wieder Strom

Es gibt verschiedene Methoden, Wasserstoff (H2) zu erzeugen. Die chemischen Methoden, mit denen heute industriell H2 erzeugt wird, basieren meist auf fossilen Energieträgern und sind damit genau keine Lösung des Klimaproblems.

Erzeugen wir H2 elektrisch, dann müssen wir zunächst Strom erzeugen, der CO2-neutral hergestellt wurde, damit das H2 auch CO2-neutral ist. Das ist ziemlich unbestreitbar, wird aber sehr gerne vergessen.

Dieser Strom wird mit im Schnitt 80% Effizienz genutzt, um aus Wasser durch Elektrolyse H2 und O2 zu machen.

Wenn also 100 Kilowattstunden (kW/h) Strom hierfür verbraucht wurden, erzeugte man nur 80 kW/h in Form von H2.

Das muss dann transportiert und gelagert werden. Das stellt vor ganz neue Herausforderungen:

Durch seine geringe Molekülgröße diffundiert Wasserstoff relativ gut durch eine Vielzahl von Materialien, sodass viele Materialien für die Tankhülle ungeeignet sind. Durch hohe Temperaturen und hohen Innendruck wird der Diffusionsprozess verstärkt.

Wikipedia

Ist der Wasserstoff dann im Auto – die Verluste auf dem Weg dahin lasse ich mal bewusst außen vor – , muss er durch eine Brennstoffzelle wieder in Strom verwandelt werden. Diese Zellen arbeiten aber nur mit einer Effizienz von 60%.

Erzeuge ich also aus 100 kW/h Strom zuerst 80 kW/h H2, werden am Ende nur 48 kW/h im Motor ankommen.

Hätte ich denselben Strom direkt in einen Akku geladen, wären trotz der Verluste der Akkutechnologie hingegen rund 80% im Motor gelandet, und ich könnte die vorhandene Strom-Infrastruktur nutzen, um den Strom zum Auto zu bringen.

Trotzdem ist es wichtig, H2 als Energieträger und Brennstoffzellen weiter zu entwickeln. Denn um das Klima zu retten, müssen wir zuerst, zu allererst, also jetzt sozusagen, unsere Stromerzeugung umkrempeln und CO2 neutral machen.

Sonnenenergie, Wasserkraft, Windenergie.

Wind weht nicht immer, die Sonne scheint nur tags und Wasserkraft kann man nicht unendlich erzeugen. Also müssen wir überschüssige Energie, die in Spitzenzeiten erzeugt wurde, irgendwie und irgendwo speichern können, um sie später abzurufen.

Beispielsweise in Form von H2, das dann wieder mit einer Brennstoffzelle in Strom verwandelt wird, wenn mehr Strom gebraucht wird.

Und die Power-to-Gas-Methode wäre noch viel toller. Denn das dabei erzeugte Methan ist quasi Erdgas, und für die Wärmeversorgung gibt es in allen deutschen Städten ein Gasleitungsnetz, in das man aus überschüssigem Strom erzeugtes Methan direkt einleiten und vor Ort in Wärme verwandeln könnte.

Das sind aber alles Zukunftsvisionen, denn im Moment ist der Anteil CO2-neutralen Stroms in Deutschland noch nicht so wirklich toll.

Der Strommix im ersten Halbjahr 2019 zeigt zwar, dass von 244,1 Terawattstunden, die in Deutschland produziert wurden, „schon“ mehr als 51% aus erneuerbaren Energien gewonnen wurden (einschließlich Biogas), aber eben doch nur 51%.

Damit wir die Energie aus Elektrizität sinnvoll und CO2-neutral in physische Energieträger wie Methan oder H2 umwandeln können, müssen wir, gemessen an den heutigen gesamten 244,1 Terawattstunden pro Halbjahr, eben noch viel mehr als die aktuellen 125 TW/h aus erneuerbaren Energien erzeugen.

Grob gesagt müssen wir die mit Wind, Wasserkraft und Sonnenenergie erzeugte Strommenge verdreifachen, damit wir ausreichend Überproduktionen über den aktuellen Strombedarf hinaus haben, die wir zur Erzeugung von Methan oder H2 nutzen können.

Was zu Beispiel Christian Lindner fordert – synthetischen Kraftstoff für Autos mit Verbrennungsmotor erzeugen – nennt sich beispielsweise „Power to X“ – und ist noch etwas ineffizienter als H2:

 Laut einer Berechnung von Agora Energiewende aus dem Jahr 2017 braucht ein batterieelektrisches Auto 15 Kilowattstunden (KWh) Strom [pro 100 km], ein mit Wasserstoff betriebenes Fahrzeug 31 KWh und ein mit E-Fuels betriebener Diesel oder Benziner sogar 103 KWh. Für die gleiche Leistung wird also ein Vielfaches an Energie benötigt. Im Personenverkehr ist Elektromobilität Experten zufolge deutlich effizienter als der Einsatz von synthetischen Kraftstoffen und daher vorzuziehen.

en-former.com

Wenn Christian Lindner beispielsweise sagt, dass wir lieber Forschung in synthetische Kraftstoffe stecken sollen als durch Reduzierung von irgendwas anderem CO2-neutral zu werden, dann denkt er immerhin positiv.

Das muss er auch, denn diese Technologie ist ja noch lange nicht so effizient, dass wir sie wirtschaftlich einsetzen können, zum anderen wird sie nie so effizient werden, dass sie beim heutigen Strommix jemals CO2-neutral eingesetzt werden kann.

Und selbst, wenn wir die Energie aus genügend überschüssigem, CO2-neutralem Strom zu 100% in synthetischem Benzin binden können, haben heutige Verbrennungsmotoren eine Effizienz von lächerlichen 43% im optimalen Lastbereich eines Diesels – und synthetische Kraftstoffe wären noch immer ineffizienter, als H2 es heute ist!

Fazit: Christian Lindner und andere an die Technik der Zukunft glaubenden Menschen übersehen, dass unsere Kulturen kontinuierlich Energie benötigen, und daher als erstes die Primärenergie „Elektrizität“ CO2-neutral und, gemessen an heute, im Übermaß erzeugt werden muss, damit die zukünftigen tollen Technologien überhaupt eingesetzt werden können.

Also nicht nur Power-to-Irgendwas, sondern auch CO2-Sammelstationen (die viel Strom brauchen) und in einigen Jahren geeignet wären, CO2 für industrielle Nutzung (man denke nur an Soda Stream Zylinder) aus der Luft zu entziehen.

Bis dahin müssen wir nur eben den Strom CO2-neutral hergestellt haben. Die Technologien dafür haben wir. Der Staat muss sie nur fördern.

Also, liebe Lindnerfans, liebe Freunde futuristischer Hoffnungen. Kümmert Euch drum, dass wir viel mehr CO2-neutralen Strom haben, überschüssige Energie speichern können, dass wir CO2 auf technischem Wege aus der Atmosphäre bekommen, dass wir irgendwelche Methoden finden, CO2-neutral fahrende Autos schneller zu betanken, als mit nem Akku.

Aber denkt dran, was die Voraussetzung dafür ist: Wir brauchen vermutlich dreimal so viel CO2-neutralen Strom, wie wir ihn heute erzeugen.

Also lasst Greta weiter fordern, dass die überstaatlich vereinbarten CO2-Ziele erreicht und übertroffen werden. Denn das ist verdammt nochmal die Voraussetzung für Eure neuen Technologien.

Oder, wie Klaus Kinski sagen würde:

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