Wir sind nur zu dumm, das zu erkennen, und rennen sehenden Auges ins Messer.

Als ich in der Oberstufe war, Anfang der 1980er, lernte ich, was die Alterspyramide ist. Die sah 1982 so aus:

Ganz oben sind die RentnerInnen, ganz unten die Neugeborenen. Der Bereich zwischen 20 und 65 Jahren sind die arbeitende Bevölkerung.

Auf Höhe von 65 Lebensjahren sehen wir eine Einschnürung: Menschen dieses Alters haben den 2. Weltkrieg als Erwachsene erlebt und es starben sehr viele von ihnen.

Im Alter ab 55 sind die Frauen (rechte Hälfte der Grafik) überrepräsentiert, da die Männer als Soldaten das höheres Sterberisko hatte.

Die Einschnürung im Alter um 40 Jahre ist auch kriegsbedingt: Viele Männer waren im Krieg, die Lebensumstände waren feindlich, da werden weniger Kinder geboren.

Zurück zur Gegenwart.

RentnerInnen bekommen Geld aus der Rentenversicherung. Die Bezeichnung „Versicherung“ hinkt, denn es ist nicht so, dass die Rentenzahlungen mit den Geldern erwirtschaftet werden, die diese RentnerInnen mal selber eingezahlt haben.

Vielmehr ist es so, dass die Renten von den Beiträgen gezahlt werden, die von den aktuellen ArbeitnehmerInnen eingezahlt werden.

Nur auf diese Weise war die Rentenversicherung sofort und nicht erst mit einer Generation Vorlauf funktionsfähig. Außerdem entspricht es der klassischen Finanzierung des Lebens im Alter, wo in Großfamilien die Alten natürlich von ihren Kindern und Enkeln versogt wurden.

Das setzt eine Alterspyramide voraus, die auch ungefähr eine Pyramide ist. Hier sehen wir schon: Im Alter bis 10 Jahren gab es schon 1982 eine Einschnürung.

Die Pyramide bleibt stabil, wenn jedes Paar durchschnittlich 2,1 Kinder bekommt, die Zahl ist höher als 2, um frühe Todesfälle und Unfruchtbarkeit auszugleichen.

Augenscheinlich ist seit den 1970ern die Geburtenrate hinter diesem magischen Wert zurück geblieben.

Heute, im Jahr 2015, sieht die Alterspyramide so aus:

Die größte Zahl an Menschen hat mit rund 50 Jahren meine Altersgruppe. Wir zahlen noch in die Rentenkasse ein.

Noch 15 Jahre.

Trotzdem entgleist die Alterspyramide schon seit den 1980ern. Lag die Standardrente nach 45 Jahren Arbeit im Jahr 1990 noch bei 55% des durchschnittlichen Jahresgehalts, liegt sie heute, nur eine Generation später, bei nur noch bei 47%.

Private Rentenversicherungen wie „Riester“ sollen das zwar auffangen, aber erhöhen auch die Last, die man während des Arbeitslebens zu tragen hat.

Wie das zustande kommt lag schon während meiner Schuzeit auf der Hand: Medizin und Wohlstand lassen uns immer länger leben, gleichzeitig nehmen die Geburtenzahlen ab.

Die Alterspyramide wird zum Alterstropfen. Und das wissen wir seit über 30 Jahren.

185863-st-galerieGleichzeitig zeigt die Entwicklung der Bevölkerungszahl, dass nach einer Spitze im Jahr 2002 mit 82,5 Millionen Menschen die Bevölkerung jedes Jahr abnimmt

Das Ergebnis dieser Gesamtbevölkerungszahl und der Altersverteilung wird in der Rententabelle oben vorausberechnet:

Heute beträgt die Standardrente 48% des Jahreslohns, wenn ich im Jahr 2030 65 Jahre alt werde nur noch bei 43%. Und das liegt nicht an MigrantInnen, Griechenland, dem Euro oder den Illuminaten, sondern alleine daran, dass die Bevölkerung abnimmt.

Auch, wenn das in Berlin und insbesondere bei der CDU/CSU noch nicht angekommen ist: Wir sterben aus.

Thilo Sarrazins These „Deutschland schafft sich ab“ stimmt bei unveränderter Einwanderungspolitik durchaus – nur aus ganz anderen Gründen. Wir werden eine sozialpolitische Bruchlandung machen, denn genau meine Generation, die jetzt in Berlin regiert, wird die erste sein, die von ihrer Rente nicht mehr leben kann.

Die Kinderzahl nimmt weiter ab, die Renten werden immer weiter sinken. Dank der Hartz-Reformen und der wirtschaftsfreundlichen deutschen Arbeitsmarktpolitik sind Minijobs und befristete Arbeitsverhältnisse derart ins Kraut geschossen, dass bei abnehmender Zahl der Arbeitnehmer zugleich der Anteil derjenigen steigt, die zu wenig zum Einzahlen in die Rentenkasse verdienen!

Ihr, die gegen Flüchtlinge hetzt und dabei die Sorge um die Rentner vorschiebt, werdet noch am eigenen Leib erleben, was Armut, insbesondere Altersarmut bedeutet. Und zwar nicht, weil wir Flüchtlinge aufgenommen haben, sondern weil es nicht taten.

Und jetzt kommt mir nicht mit der Facharbeiterstory und gezielten Anwerbungen. Natürlich hatten die Vertriebenen in ihrer Heimat auch Berufe. Diejenigen, die überhaupt so weit flüchten konnten, mussten ordentlich Geld in die Hand nehmen. Sie hatten daheim einen Beruf, waren Kaufleute, HandwerkerInnen, ÄrztInnen, IngenieurInnen. Und viele sind noch jung und können einen hier benötigten Beruf erlernen, wenn man sie lässt.

Wenn wir (und sie) wollen, werden sie Teile unserer Gesellschaft, unseres Sozialsystems und helfen uns. Und erzählt mir nichts von „Kultur“. Der kulturelle Unterschied zwischen Friesen und Bayern ist größer, als der kulturelle Unterschied zwischen MigrantInnen und „Ureinwohnern“ in einer beliebigen deutschen Großstadt.

Deutschland war nie ein einheitlicher Kulturraum und wird auch nie einer sein.

tl;dr Wenn Deutschland noch kein Einwanderungsland ist, dann muss es eines werden, oder unser Rentensystem fällt auf die Nase.

Kategorien: Allgemein

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