Vampire sind nicht erst seit Twilight in Mode. Sie sind sexy, leiden unter der Ausgrenzung und Verfolgung durch die Menschen, eigentlich wollen sie ja nur spielen. Nosferatu, was ist aus Dir geworden! Doch Guillermo del Toro hatte Mitleid mit uns und hat endlich wieder ekelhafte, abstoßende, widerliche Vampire ins Fernsehen gebracht.
The Strain, so heißt die Serie, beginnt mit einem ähnlichen Setting wie Helix: Ein manisch von seinem Beruf besessener Epidemiologe der CDC – Dr. Ephraim Goodweather (Corey Stoll) – und sein Team werden alarmiert. Zwischendurch erfährt man, dass seine Frau sich von ihm getrennt hat, weil er eher mit seinen Beruf und einer Flasche Tequila verheiratet war als mit ihr.
Dazu kommt Streit ums Sorgerecht für den Sohn, weil er sich durch Seuchennotfälle nicht unbedingt an die Termine hält.
Alarmiert wird das Team, weil die Passagiere des Fluges 753 irgendwie alle tot sind. Tatsächlich genesen einige aber schnell wieder, kaum, dass das CDC-Team in Schutzanzügen durch die Maschine gegangen ist.
Parallel interessiert sich ein verschrobener Pfandleiher – Abraham Setrakian (David Bradley) – für die Maschine und ahnt Böses. Tatsächlich befindet sich im Laderaum eine mysteriöse Kiste voller Erde, die laut Frachtliste gar nicht existierte.
Diese Kiste stellt auch einen besonderen Wert für den gleichsam philanthropen wie zwielichtigen Industrieboss Eldritch Palmer (Jonathan Hyde) und seinen deutschen Geschäftsfreund Thomas Eichhorst (Richard Sammel) dar.
Was ist nun in der Maschine passiert?
Passagiere und Besatzungsmitglieder sind zu Vampiren geworden und befanden sich gerade in einem Stadium der Verwandlung, in dem die Mediziner sie noch nicht als befallen erkennen konnten. Wie auch, Vampirwerdung ist als Krankheit ja gänzlich unerforscht.
Wie die Tötung und Infektion so vieler Menschen erfolgte, das bleibt zunächst offen. Und wie die Vampirwerdung und das Bild auf dem Cover der DVD mit einem Wurm, der unter ein Augenlid kriecht, zusammen hängt, wird aber schneller aufgeklärt als man sich wünscht.
Da die Passagiere, unter ihnen auch der düstere Rockmusiker Gabriel Bolivar (schöne Grüße an Alice Cooper) nach Hause durften droht New York nun eine Epedimie der Vampire, die auch prompt ausbricht.
Soweit eine überschaubare Handlung. Was macht die Serie nun besonders?
Das sind mehrere Aspekte. Zum einen sind die Vampire endlich nicht mehr sexy Underdogs, die sich vor uns Menschen tarnen und verstecken müssen, sondern widerliche, blasse, kahle, wachshäutige, etwas tollpatschig durch die Stadt stolpernde Kreaturen mit komischen Zähnen, vor denen Bella Cullen schreiend fortgelaufen wäre.
Dabei beißen sie ihre Opfer nicht einmal mit den komischen Zähnen, sondern haben ein eigenes, über einen Meter langes und armdickes Organ, das aus dem Mund schnellt und mit einem an H.R. Giger erinnernden dreilippigen Ende zubeißt.
Und es ist auch gar nicht der Biss an sich, der die Verwandlung auslöst, sondern Würmer, die auf das Opfer übergehen, sich dort vermehren und den Organismus umbauen. Würmer, die an Spulwümer erinnern, die man gelegentlich bei Haustieren erlebt.
Ansonsten sind die Vampire recht ähnlich denen, die wir kennen: Sie mögen kein Silber und kein Sonnenlicht und auch sie sind durch einen Schuss oder Schwerthieb in den Kopf schnell tot. Wenn sie nicht so rasant schnell mehr würden.
Immer wieder gibt es Rückblenden zum Beispiel ins Dritte Reich und wir erfahren, dass Herr Eichhorst schon damals lebte und als Offizier in dem Konzentraionslager arbeitete, in dem der junge Abraham Setrakian inhaftiert war. Während Setrakian jedoch entsprechend alterte und in seiner Rolle über 90 Jahre alt ist, scheint Eichhorst auch in der Gegenwart kaum älter als Mitte 50.
Denn: Auch Eichhorst ist ein Vampir, aber ein ranghoher, der seine Befehle direkt von einem Meister bekommt und sein verwesungsbedingtes Vampiraussehen durch maskenbildnerisches Geschick tarnt. Nur sein Geruch ist wohl manchmal etwas streng.
Gespielt wird er von Richard Sammel, der Deutscher ist und schon in Inglorious Basterds [amazon_textlink asin=’B00FNTMK7O‘ text=’Inglorious Basterds‘ template=’MyProductLink‘ store=’olk02d-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’de8358b6-8e35-11e7-9f94-3d051dedf8e0′] einen Nazi spielte oder in Casino Royale [amazon_textlink asin=’B00EXHH680′ text=’Casino Royale‘ template=’MyProductLink‘ store=’olk02d-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’6cd02375-8e35-11e7-9be0-93fa6185992f‘] einen Terroristen. Im deutschen Fernsehen und Kino ist er leider recht unbekannt. In einem Interview, das inzwischen im Netz nicht mehr auffindbar ist, sagte er, dass er sich für die Rolle in The Strain interessiert habe, gerade weil die Vampire (endlich) wieder böse und ekelaft seien.
Er selber spielt den etwas formell steifen, aber nicht minder Furcht einflößenden Vermittler und Abgesandten des Meisters. Ab Staffel 2 synchronisiert er sich selber, wodurch Herr Eichhorst noch mehr Gestalt bekommt. Die Modulation seiner Stimme variiert nun oft minimal, zeichnet die Figur dadurch aber immer facettenreicher. Er ist nicht böse, weil er böse ist, sondern weil er hinter der Sache steht, für die er kämpft – für eine Welt der Vampire unter dem Regime des Meisters, die Menschen nur noch als Blutspender halten.
Das Thema des Nazis, der durch übernatürliche Methoden weiter lebt und durch eben diese übernatürlichen Mittel eine Rückkehr des Dritten Reiches vorbereitet, ist Guillermo del Toro nicht unbekannt. The Strain beruht auf der Romantrilogie Die Saat [amazon_link asins=’345331722X‘ template=’MyProductLink‘ store=’olk02d-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’4810503a-8e3c-11e7-a0da-8da3ddc555ee‘], Das Blut und Die Nacht, die er zusammen mit Chuck Hogan geschrieben hat.
Da der erste Band 2009 herauskam, del Toros Comicverfilmung Hellboy [amazon_link asins=’B00LAOA64U‘ template=’MyProductLink‘ store=’olk02d-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’609419d7-8e3c-11e7-86ca-39ab52132fe1′] mit ähnlichem Background bereits 2004 im Kino war, sind Zusammenhänge offensichtlich. Das war es dann aber mit Parallelen.
Die Handlung der ersten Staffel wird mit jeder Folge dichter und athmosphärischer, sogar der Ehekrieg der Goodweathers, der in der Pilotfolge noch klischeehaft und überflüssig wirkt, zieht sich als dramatischer und treibender Handlungsstrang durch alle Staffeln.
Das am Ende zusammen gewürfelte Vampirkillerteam aus Goodweather, seiner Assistentin Nora (Mía Maestro), Setrakian (der sich als Professor entpuppt), einer Hackerin und einem Kammerjäger schlägt sich in Staffel 1 noch in typischer Monstersplatter-Manier durch, ab Staffel 2 wird der Handlungsstrang aber immer anspruchsvoller, stategischer und überraschender.
Am Ende von Staffel 3 stellt man fest, dass innerhalb der Story seit der Landung von Flug 753 keine zwei Monate vergangen sind, und erschrickt, wie New York durch die Strigoi, wie die Vampire von Setrakian nach ihrer rumänischen Bezeichnung genannt werden, verändert wurde: Ausnahmezustand, Plünderer, militärgleiche Aktionen des NYPD.
Und auch am Ende der 3. Staffel schaffen del Toro und Hogan es, einen Twist in die Geschichte zu bringen, durch den die Handelnden und die Handlungsstränge völlig neu arrangiert werden.
Ich will jetzt nicht weiter spoilern, die Serie ist es wert, zumindest die erste Staffel mal anzuschauen, wenn man sich vor Untoten, Würmern, Blut und der weißen Körperflüssigkeit der Vampire nicht zu sehr ekelt.
Im Stream ist sie auf Amazon Prime (Staffel 1 und 2) und Sky (Staffel 1-3 komplett) zu sehen, Staffel 4 wird gerade auf Sky mit einer neuen Folge an jedem Freitag „gesendet“.
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★★★★★ Spannung
★★★★☆ Handlung
★★★★☆ Casting
★★★☆☆ Musik