Ich hatte ja schon über die Frage geschrieben, ob wir durch die Aufnahme von Flüchtlingen einen massiven Anstieg der Kriminalitätsraten haben. Die Antwort ist: Derzeit ist kein massiver Anstieg in der Kriminalitätsrate erkennbar. Alles liegt angesichts der PKS von 2016 im Rahmen der jährlichen Schwankungen.

Ausländerkriminalität ist aber ein dauernd diskutiertes Thema.

Schauen wir uns die Zahlen der bezogen auf die Tatverdächtigen PKS mal an:

2016 erfasste die Polizei im Rahmen der dort erstatteten Strafanzeigen insgesamt 2.360.806 Tatverdächtige. Davon hatten 596.115 keine deutsche Staatsangehörigkeit. Der Anteil der Ausländer unter den Tatverdächtigen lag also bei ca. 25%.

Der Anteil der Ausländer in der Bevölkerung Deutschlands liegt derzeit (was auch mit wenig Änderung für 2016 gilt) bei 12,5%.

Also steht fest: Ausländer sind doppelt so häufig kriminell wie Deutsche.

Aber stimmt das wirklich? Schauen wir uns mal zwei kleine Diagramme an. Beginnen wir mit der Altersverteilung der TäterInnen nach Alter und Geschlecht:

PKS 2016: Tatverdächtige nach Alter und Geschlecht

PKS 2016: Tatverdächtige nach Alter und Geschlecht

Leider sind Zahlen in der PKS nicht sauber nach Dekaden aufzuschlüsseln, es gibt beim Alter „10-17“ und „18-29“ einen Verschiebung. Dennoch sieht man deutlich, dass junge Männer ab ca. 18 Jahren auffallend oft kriminell werden.

Das kann man mit einem Blick auf die Gesamtbevölkerung aufgeschlüsselt nach Ausländern und Deutschen noch deutlicher sehen:

DE-STATIS: Bevölkerung nach Deutschen und Ausländern je Altersgruppe

DE-STATIS: Bevölkerung nach Deutschen und Ausländern je Altersgruppe

Jetzt sind die Dekaden, die ich aus den Daten von DE-STATIS und die aus den Daten der PKS leider nicht deckungsgleich. Man sieht aber, dass der Ausländeranteil in den Altersgruppen 25-35 und 35-45 mit 15% leicht und in der Altersgruppe 45-55 mit 21% deutlich höher ist als der Durchschnitt von 12,5%.

Das bringt zwar eine kleine Verschiebung, die einen höheren Anteil von AusländerInnen unter den Tatverdächtigen erkärt,  kann aber nicht erklären, warum sie so stark in der PKS als Tatverdächtige vertreten sind.

Laut PKS entstammen fast 50% aller Tatverdächtigen aus der Altersgruppe von 15-35 Jahren. Diese Altersgruppe stellt aber nur 23% der Gesamtbevölkerung bzw 26% der in Deutschland lebenden Ausländer. Sie sind also um 12% gemessen an der Gesamtbevölkerung der Altersgruppe überrepräsentiert

Menschen in der Altersgruppe von 15-35 Jahren werden laut PKS doppelt so wahrscheinlich als Tatverdächtige erfasst, als sie in der Bevölkerung vertreten sind. Zugleich ist der Ausländeranteil deser Bevölkerungsgruppe mit 15,72% um mehr als drei Prozentpunkte, also 25% höher als in der Gesamtbevölkerung.

Wir sehen, dass Ausländer in der PKS schon alleine deshalb öfter als Tatverdächtige auftauchen als Deutsche, weil sie in der Altersspanne, in der man aus verschiedenen Günden rund 2,2mal so wahrscheinlich straffällig wird, im Vergleich zur Gesamtzahl überrepräsentiert sind.

Dieser Anteil der höheren Kriminalitätsrate von Ausländern im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ergibt sich also nicht aus der Nationalität der Tatverdächtigen, sondern aus deren Alter und Geschlecht, denn wie man oben in der erste Grafik sient, sind Männer weitaus öfter tatverdächtig als Frauen.

Man liest in entsprechend alarmistischen Hetzartikeln nun, man solle die jungen Männer gar nicht mehr ins Land rein lassen, weil sie eben krimineller sind als dreijährige Mädchen. Aber wollen wir as wirklich und konsequent? Dieselben Altersstufen und damit die höhere Wahrscheinlichkeit zum Begehen von Straftaten findet man beispielsweise in zwei Männerdomänen: Kasernen der Bundeswehr (überwiegend Männer) und Fußballclubs. Was machen wir dann mit denen?

Weiterhin erfasst die Zahl von 596.115 Tatverdächtigen zwar „Nichtdeutsche Tatverdächtige nach Alter und Geschlecht ohne unerlaubt Aufhältige, Stationierungsstreitkräfte und Touristen/Durchreisende“, aber es gibt in der Tat Delikte, die ein Deutscher gar nicht begehen kann.

So sind trotz Ausschluss der „unerlaubt Aufhältigen“ fast 40.000 der Tatverdächtigen dieser Statistik eben eines Verstoßes gegen Aufenthaltsbestimmungen verdächtig. Das sind Taten, die Deutsche nicht begehen können, ein sauberer Wert des Anteils krimineller Ausländer beträgt daher nicht 25,25%, sondern unter Berücksichtigung dieser 40.000 Personen nur noch 23,56%. Ausländer sind also nicht 2,02mal so wahrscheinlich Tatverdächtige wie Deutsche, sondern nur 1,9mal.

Berechnungsgrundlagen, um die rund 12%ige Überrepräsentation von Nichtdeutschen in der Altersgruppe, aus der 50% der Tatverdächtigen stammen, zu kompensieren, fehlen in der PKS. Weiteres Rechnen auf der vorliegenden Zahlenbasis verbietet sich eigentlich schon, weil die Altersdekaden, in die DE-STATIS und die PKS die Personen aufteilen, nicht deckungsgleich sind.

Wenn ich das mal zur Probe ignoriere und die 12% Überrepräsentation von den 50% der überdurchschnittlich kriminellen Altersgruppe abziehe, reduziert sich der Anteil krimineller Ausländer auf 22,15%, wobei die Abweichung vom tatsächlichen Wert alleine durch die nicht kongruenten Intervalle immer weiter wächst.

Die PKS weist also auf den ersten Blick eine doppelte Wahrscheinlichkeit dafür aus, dass ein Ausländer eine Straftat begeht. Auf den zweiten Blick entstehen aber schon Zweifel, die sich ohne Zugriff auf die Rohdaten der Fallerfassung nicht ausräumen oder bestätigen lassen.

Ein paar Denkansätze zu Bewertung der Daten aus der PKS sind beispielsweise:

Die PKS enthält nur die von der Polizei als einer Tat verdächtig ermittelten Personen. Die Polizei ermittelt in den meisten Fällen nur, wenn eine Strafanzeige erstattet wird. Dr. Christian Walburg hat 2014 in einer Studie bemerkt:

Durch Analysen der offiziell registrierten Kriminalität allein lässt sich nicht klären, ob delinquentes Verhalten bei jungen Migranten tatsächlich weiter verbreitet ist als bei Nichtmigranten, oder ob es lediglich häufiger entdeckt, angezeigt und von den Strafverfolgungsbehörden erfasst, das heißt kriminalisiert wird.

Auf Opferbefragungen beruhende Analysen zeigen mittlerweile recht einhellig, dass die Entscheidung über eine Strafanzeige in beträchtlichem Maße auch durch die Zuordnung  des Täters zu einer als fremdethnisch definierten Gruppe bestimmt wird.[…]

Nach neueren Studien sind Migrantenjugendliche im Vergleich zu Jugendlichen ohne
Migrationshintergrund bei Gewaltdelikten insgesamt einem um bis zu 50 Prozent erhöhten
Anzeigerisiko ausgesetzt. Dahinter liegt den Untersuchungen zufolge nicht primär ein
erhöhtes Strafbedürfnis gegenüber Migranten, vielmehr spielt eine größere soziale Distanz
zwischen Opfer und Täter eine Rolle. Entsprechend geringer ist die Fähigkeit der
Konfliktbeteiligten, sich ohne Einschaltung von Polizei und Justiz zu verständigen.

Befragungsstudien lassen außerdem darauf schließen, dass beispielsweise die
Aufmerksamkeit von Verkaufs- und Überwachungspersonal aufgrund von Stereotypen bei
Migrantenjugendlichen erhöht ist und diese deshalb häufiger wegen Ladendiebstählen
angezeigt werden.

Die schnellere Verdächtigung von MigrantInnen deckt sich übrigens auffallend mit den Berichten über Racial Proiling in Zügen, wo Menschen mit Migrationshintergrund aus Afrika deutlich öfter von der Bundespolizei überprüft werden als andere, und mit dem kürzlich bekannt gewordenen Insiderbericht eines bayerischen Polizeibeamten.

Er schildert, dass es üblich sei, zur Aufbesserung der persönlichen Fallzahlen in Bahnhofnähe Afrikaner zu kontrollieren. Dadurch steigt automatisch für AfrikanerInnen das Risiko im Vergleich zum Durchschnitt, dass Delikte zufällig entdeckt werden.

Da die PKS letztlich nur eine Art polizeilicher Arbeitsnachweis ist, kann sie nur die Delinquenz widerspiegeln, die auch der Polizei bekannt wird. Wenn nun Menschen mit Migrationshintergrund bei tatsächlichen Delikten eher angezeigt (oder auch nur verdächtigt) werden und auch durch bestehende Vorurteile strenger kontrolliert werden, hat es zur Folge, dass jegliche Aussagen über „Ausländerkriminalität“ alleine auf Basis der PKS unseriös sind.

Eine weitere Rolle spielt die soziale Herkunft der Tatverdächtigen. Walburg schreibt hierzu:

Zusätzlich musste bei derartigen Vergleichen immer schon bedacht werden, dass es sich bei
jungen Deutschen und Ausländern um zwei sozialstrukturell sehr unterschiedlich
zusammengesetzte Gruppen handelt und junge Ausländer beispielsweise vermehrt in
ohnehin stärker kriminalitätsbelasteten Ballungsräumen leben.

Das führt zu einem weiteren Faktor, der Frage nach der Sozialen Schicht eines Tatverdächtigen, die sich anhand der PKS nicht im Ansatz beantworten lässt.

Genaueres hierzu und zur Anomietheorie von Rober K. Merton hatte ich 2015 bereits geschrieben. Kurz gesagt ist die Wahrscheinlichkeit, sich strafbar zu machen, auch von der Sozialen Schicht anhängig, der man angehört. Insbesondere Kleinkriminalität und Gewaltdelikte findet man im höchst prekär und unsicher lebenden Bodensatz der Unterschicht, in dem der Ausländeranteil traditionell höher als die durchschnittlichen 12,5% ist.

Lediglich bei Gewaltdelikten, die überhaupt nur 3-4% der in der PKS erfassten Straftaten ausmachen, seien migrantische Jugendliche wirklich überrepräsentiert, da sie dadurch versuchen,  „Anerkennung und Macht zu gewinnen und damit ein Stück weit zu kompensieren, dass man sich am Rande der Gesellschaft befindet„.

Wir stellen also fest:

  • Aussagen zur Ausländerkriminalität alleien auf Basis der PKS sind nicht seriös
  • Der vordergründige Ausländeranteil an Tatverdächtigen von 25,25% sinkt schon bei Betrachtung der PKS und der Bevölkerungsstruktur
  • Soziologische Phänomene, die dazu führen, dass Menschen mit Migrationshintergrund schneller einer Tat verdächtigt und dadurch genauer überwacht und öfter angezeigt werden, verfälschen die Zahlen weiter immens.


Wer nur auf Basis der PKS qualitative Aussagen zur Ausländerkriminalität macht, macht unseriöse Aussagen.

 

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