Manche Dinge kann man sich nicht ausdenken. Zum Beispiel Dinge, die passieren, wenn die Polizei in diesem Internetz was ermitteln muss.
Dirk Olbertz betreibt blogger.de und das wird immer wieder mal mit blogger.com verwechselt, das Google betreibt. Ok, geschenkt. Wer ohne Fehl ist werfe den ersten Stein (ich hab auch schon ein bei blogger.com gehostetes Blog eines elenden Trolls mal als „er hat sich gelöscht!“ vermeldet, weil ich es bei blogger.de nicht mehr gefunden habe)
Jetzt musste die Polizei wegen eines ehrenrührigne Kommentares auf blogger.com ermitteln und wollte von Olbertz dazu Hilfe. Auch Udo Vetter berichtete darüber.
Dies grobe Halbwissen über das Netz ist bei der Polizei beileibe kein Einzelfall. Auch Konstantin Klein war nach Ansicht einer Polizeiwache Inhaber von Hushmail, weil in seinem Impressum eine Mailadresse dieses Providers angegeben war.
Immerhin: Manchmal gestehen einzelne Organisationseinheiten ihre Ahnungslosigkeit sogar ein.
Auch, wenn @serotonic und viele andere Frauen beim Versuch, Stalker im Netz durch Polizeihilfe abzuwehren saudumme Antworten statt Hilfe bekommen haben, kann man diese Ahnungslosigkeit nicht (nur) den ermittelnden Beamten anlasten.
Ende 2011 habe ich mal wieder einen geguttenbergten Text im Internet gefunden. Und zwar einen, der von mir stammt, nämlich aus dem Gemeinschaftsblog Schutt und Asche, das die liebe Carola Heine ins Leben gerufen hat und der sich mit Trockenbauwänden beschäftigt.
Das passiert schonmal und in allen Fällen hat ein kurzes Gespräch mit dem Plagiator gereicht, um die Sache zu klären:
Ist er auf einem thematisch passenden, nichtkommerziellen Blog gelandet? Mit Quellenangabe ok.
Ist es eine kommerzielle Website? Angemessene Kohle her oder löschen.
Es war diesmal eine kommerzielle Seite, zwar bei einem Gratissubdomainhoster, aber von einem jungen Mann, der wohl mal einen Nagel in die Wand geschlagen hatte, ohne sich zu verletzen, und jetzt als ungelernter Handwerker sein berufliches Unwesen treiben wollte.
Ich rief an einem Freitag eine zu Namen und Adresse aus dem Impressum passende Nummer aus dem Telefonbuch an und sprach mit seiner Mutter. Hinterließ die Mailadresse und Telefonnummer und machte deutlich, dass Mail oder Rückruf in seinem Interesse seien.
Montag hatte ich kein Lebenszeichen von ihm, sah mir die Website näher an und Tante Google zeigte mir, dass exakt alle Texte außer dem inzwischen massiv reduzierten Impressum geguttenbergt waren: Bei Baumärkten wie Hornbach. Dazu war mein Text aus der internen Verlinkung vreschwunden – aber über den URL und somit auch über Google noch aufrufbar, somit spülte er nach wie vor über Google Besucher auf die Seite.
Er hatte also die Kontaktanfrage bekommen und reagiert, aber halt anders als angemessen gewesen wäre.
Kurze Mail mit allen relevanten Links an den Provider, 24 Stunde später war die Subdomain tot und eine freundliche Dankesmail des Providers in meinem Postfach.
Normalerweise hätte ich das dann auf sich beruhen lassen – wenn da nicht eine Bestätigung vom OTTO-Versand in der Mailbox gelandet wäre, dass meine 4 Lederjacken in Herrengröße XS und die 8 Dildos bald geliefert würde.
Ups.
Anruf bei OTTO, dort sah man direkt, dass es keine ernst gemeinte Bestellung sein könne. Ich schaute ins Serverlog dieses Blogs und fand eine zur Region des Wohnorts passende IP-Adresse, die kurz vor der Bestätigungsmail vom inkriminierten Text kommend sich zum Impressum durchgeklickt und augenscheinlich die dortigen Daten für die Bestellung genutzt hatte.
Der Bogen war überspannt, ich erstattete Anzeige über die Internetwache der Polizei NRW. Die Formulare dort boten reichlich Raum, um Tathergänge zu beschreiben und relevante Links zu hinterlassen. Das tat ich – das Plagiat und die Dauer der Nutzung belegte ich mit Links auf den ersten und letzten Schnappschuss bei archive.org.
Rund drei Monde später erreichte mich ein Brief von der örtlichen Polizei. Als Anzeigeerstatter solle ich vorbei kommen und meinen Personalausweis sowie Unterlagen, Beweismittel etc. mitbringen.
Ich dachte an eine Textkonserve, rief aber trotzdem an. Denn meine Beweise standen halt im Netz zur Verfügung.

Der Beamte am anderen Ende bestand darauf, dass ich alles ausdrucke. Im Poizeirevier hat er nämlich keinen Internetzugang und den gesamten Vorgang nur ausgedruckt erhalten. Auch Mails könne er nur intern verschicken und empfangen.

Ich druckte alles aus und ging zur Wache. Der Beamte hörte sich alles an und fand die Anzeige überaus vernünftig. Archive.org konnte ich ihm auf meinem Smartphone vorführen und er notierte sich die Adresse mal, falls er ältere Stände von Webseites recherchieren müsse. Anscheinend gab es da ja einen Internetausdruckdienst mit drei Monaten Lieferzeit.
Aber er stimmte mir zu, dass der Beschuldigte, so die Vorwüfe sich bestätigten, einen derartigen Warnschuss zu seinem eigenen Schutz verdient habe.
Allerdings sähe er keine große Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt Anklage erhoben würde, es sei ja außer dem Plagiat nichts nachweisbar, und das Problem sei ja gelöst. Und die Scherzbestellung sei ihm nicht nachzuweisen. So ist das halt im Internet.
Ob denn die IP-Adresse aus meiner Anzeige mal mit der, die der OTTO-Versand auf meine Bitte festgehalten hatte, verglichen und nachverfolgt worden sei? Damit könne man ja zumindest den Haushalt ermitteln, aus dem er tätig war.
Nein, sagte der Beamte.

„Wegen Menschen wie Ihnen dürfen wir ja keine Vorratsdatenspeicherung haben und in der sehr kurzen Zeit, die eine Adresse beim Provider zuzuordnen sei, können nur einzelne, hochspezialisierte Firmen Anschlussinhaber ermitteln.“

So ist das also.
Weil die Polizei technisch sowohl hinter den Tätern als auch hinter den privaten Ermittlern her hinkt, brauchen wir verfassungswidrige Mittel wie die VDS, damit Straftäter überhaupt verfolgt werden können.

tl;dr: Aus Unwissen und schlechter Ausstattung der Polizei sowie der Realitätsverweigerung der Politik entstehen ungeahnte Synergieeffekte.

P.S.: Die Internetwache der Polizei NRW ist inzwischen konsequenterweise vom Netz genommen worden. Andere Bundesländer haben sie noch – dass es dort runder und sachgerechter läuft als in NRW, darf bezweifelt werden.

Kategorien: Allgemein

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11 Jahre zuvor

Ich hatte vor gut 11 Jahren die zweifelhafte Ehre, dass vermutlich ein spammender Rechtsextremist (allein die Kombination schon!) seinen Revenge-Spam mit entsprechendem Inhalt mit meinem Namen und meiner Absenderadresse ins Netz gerotzt hat:

https://groups.google.com/d/msg/de.admin.net-abuse.mail/6IvfyTMmDAI/byM6wzYzvnMJ

Anders als in dem Posting angekündigt war ich aber doch nicht beim BKA, weil ich keine Lust darauf hatte, meinen Rechner von der Polizei auseinanderbauen zu lassen. Was ein offenes Relay ist und dass man E-Mail-Header nahezu beliebig fälschen kann, hätte ich wohl nicht Polizei-kompatibel erklären können…

Erschreckend, dass es immer noch nicht besser geworden ist.

[…] hatte ja “neulich” erst so ein Problem und war erschrocken, dass die Polizei in ihren Ermittlungsmethoden den professionellen Abmahnern so […]