Frauen werden irgendwann schwanger und arbeiten nur noch halbtags. Das war schon immer so.
Diesen Artikel habe ich 2004 für NEON geschrieben
„Marion ist schwanger.“
Als Klaus das sagte, drehten sich die Köpfe aller Kolleginnen und Kollegen im Büro in seine Richtung.
„Was? Und wer bekommt ihren Kundenstamm?“
Wie zufällig griffen drei von sieben Kollegen zum Telefonhörer und führten ziemlich leise Gespräche, während der Rest der Bande plötzlich intensiv eMails schreiben musste.
„Was für eine Enttäuschung, sie hatte so einen guten Start, wie soll ich die Lücke nur schließen?“ hörte ich den Chef später auf dem Gang.
Hatte eigentlich jemand Marion gefragt, ob sie überhaupt zu Hause bleibt? Denn seit etlichen Jahren heißt es mehr Mutterschaftsurlaub sondern Elternzeit. Eltern, das sind zwei. Mutter und Vater.
Ja genau: Auch der Vater kann in die Elternzeit gehen. Und obwohl das schon lange so ist, spukt Personalchefs immer noch der Dämon der Mutterschaft im Kopf herum, wenn Schlüsselpositionen mit Frauen besetzt werden sollen. Die Folge: Zurückhaltung bei Qualifizierungschancen – man will schließlich kein Geld in den Sand setzen, weil sie sowieso schwanger wird.
Dadurch haben Frauen geringere Karrierechancen und werden nicht so schnell befördert, wie die männlichen Kollegen. Kommt es schließlich zur Entscheidung, wer zu Hause beim Kind und wer weiter im Beruf bleibt, fällt die Entscheidung schon aus finanziellen Gründen leicht.
Steht nicht im Grundgesetz, dass Frau und Mann gleichberechtigt sind? Trotzdem sind in Deutschland vier Millionen weniger Frauen als Männer überhaupt berufstätig – komisch, denn die Frauen sind eigentlich um zwei Millionen in der Überzahl. Obwohl die meisten Mädchen die besseren Schulabschlüsse haben und in der Lehre oder Ausbildung auch bessere Noten abliefern, verdienen Frauen nur 70-73% dessen, was ihre männlichen Mitstreiter bekommen.
Krass wird es bei den Selbständigen: Weniger als ein Drittel von ihnen sind Frauen, dafür stellen sie drei Viertel der „mithelfenden Familienangehörigen“ ohne Arbeitsvertrag und Sozialversicherung (alle Zahlen stammen aus dem Microcensus 2002).
Dabei hätte die Gesellschaft viel davon, wenn mehr Männer sich um die Kindererziehung kümmerten, weiß Alexander Walz vom Verein impilo – Netzwerk für eine bessere Welt: Erziehende Väter würden ihrem Nachwuchs Gleichberechtigung vorleben, ihre Partnerschaft wäre harmonischer und die Mütter würden nicht nur Karriere machen, sondern nebenbei auch weibliche Qualitäten wie ihre emotionale und soziale Kompetenz in den Berufsalltag einbringen.
Heute, Montag, 8.3.2004, ist übrigens Internationaler Frauentag. Ein schöner Anlass, die Stellung der Frau in unserer Welt mal zu reflektieren. Das mit der Elternzeit, die de facto eine Mütterzeit ist, ist nur die Spitze des Eisbergs. In kaum einer Kultur auf unserem Planeten sind Frauen auch nur annähernd gleichberechtigt; in vielen Ländern sind weibliche Genitalverstümmelungen oder Zwangshochzeiten von Vierzehnjährigen aus einem Jungfräulichkeitskult heraus noch an der Tagesordnung.
Es fällt uns in der Praxis natürlich schwer, von Europa aus Einfluss auf eine afrikanische Kultur zu nehmen, so anachronistisch und barbarisch sie uns auch scheinen mag. Wir können lediglich Hilfsorganisationen wie Terre des Femmes spenden. Als Ablasszahlung à la „ich tu ja was für die Frauen, denen es richtig dreckig geht“ sollten wir das aber nicht missverstehen.
Denn hier bei uns, weiß der impilo-Vorsitzende, können wir durchaus etwas an der Situation ändern: Zum Beispiel mehr Väter in die Elternzeit schicken.