Ich bin zwar der Jüngere und hab aus verschiedenen Gründen nicht annähernd so viel Erfahrung in der Kindererziehung und Politik, und mein akademischer Grad ist auch viel weniger als ein Doktor, aber ich erlaube mir, Ihnen mal zu spiegeln, wie manche Kommunikation beim Empfänger ankommt.
Natürlich geht es um die Sache mit den Kinderpornos und den Staaten, in denen keine Gesetze sie verbieten.
Ok, Sie haben (wie die Medien schreiben) den Fauxpas mit Indien bedauert. Das ist auch das Mindeste. Und die Inder meinten es noch gut: Hätte ein Regierungsmitglied aus dem Subkontinent ähnliches über Deutschland geäußert, wie Sie über Indien, wäre der indische Botschafter vom Auswärtigen Amt einbestellt worden, um sich eine Packung abzuholen.
Wenn Sie den mannigfaltigen Berechnungen der Blogger und Journalisten (wobei die Schnittmenge da recht groß ist), nach denen ihre 95 Staaten ohne Gesetze gegen Kindepornographie nicht existieren, nicht glauben, ist das sicher Ihre Sache. Wenn der indische Botschafter jedoch genau die einschlägigen Rechtsvorschriften zitiert, würde ich nach normalen Gepflogenheiten in mich gehen, tief durchatmen und überlegen, wie dieser Fauxpas passieren konnte und in welche Fettnäpfe ich sonst noch getreten sein könnte.
Doch was äußern Sie, wenn man den Zitaten aus heise.de glauben darf?
„Erste Überprüfungen haben ergeben, dass der Hinweis korrekt ist“
Ach so, da ist der indische Botschafter, der zitiert im Wortlaut die Gesetze, die Ihre Aussage widerlegen, und Sie überprüfen das. Haben Sie Grund, ihm nicht zu glauben? Und Sie sprechen auch nur von ersten Überprüfungen. Kommen noch welche? Werden Sie Indien auf den Zahn fühlen? Im Auge behalten? Schauen, ob die Gesetze nicht mal schnell erlassen und morgen wieder – als hätten wir das nicht geahnt! – geändert werden?
Wenn eine Lehrerin dem vermeintlichen Faulpelz sagt, dass erste Überprüfungen seiner Hausaufgaben ergeben hätten, dass er sie wirklich selber gemacht habe, dann würde diese Formulierung zumindest so ausgelegt: Fürs Erste bin ich zufrieden, aber aus dem Schneider bist Du noch lange nicht!
Aber damit finden Sie kein Ende. Erst haben Sie außenpolitischen Bullshit verzapft (um das mal so offen zu sagen) und dann geben Sie auf das erste Schäufelchen noch ne fette Schippe drauf:
Eine UNICEF-Studie von 2004 habe noch festgestellt, „dass die Hälfte aller weltweit für gewerbsmäßige sexuelle Dienstleistungen missbrauchten Kinder aus Indien kommt“.
Ui, Ihre gern zitierte Studie, nach der Indien Kinderpornos nicht ächtet, ist von 2006 und nicht nur nicht mehr aktuell (wie sie selber schon eingeräumt haben), sondern auch grundfalsch, denn die einschlägigen Gesetze in Indien datieren auf 1973. Jetzt setzen Sie dem ganzen noch ein Krönchen auf und zitieren eine Studie, die noch älter ist!
Ich glaub UNICEF gerne. Aber was hat das mit der Verbreitung von Kinderpornographie zu tun? Mit der gerne von Ihnen zitierten Industrie mit Millionenumsätzen? Mit Verlaub: Nicht viel. Wie Sie bei Mogis nachlesen können, wird nur ein verschwindender Bruchteil der Vergewaltigungen von Kindern zur Herstellung dieser ekligen Medien durchgeführt oder genutzt. Die Medien, die kursieren, sind nach der (übrigens absolut glaubwürdigen) Aussage von Rechtsanwalt Udo Vetter zum größten Teil alt und uralt.
Was Sie machen, bezeichnet man in Russland mit dem Begriff „Steine ins Gebüsch werfen“. Sie lenken davon ab, dass Sie ganz grob im Unrecht waren, indem Sie ein ähnliches Thema wählen, und mit irgendeiner anderen Behauptung ein Bisschen Recht haben. In Rhetorikkursen lernt man diese Argumentation als „Rabulistik“ kennen:
Im erweiterten Wortsinn wird der Begriff „Rabulistik“ auch verwendet für eine Methode, um in einer Diskussionrhetorische Tricks, wie das Einbringen diskussionsferner Aspekte, semantischeTäuschung, Irreführung und Lüge unabhängig von der Richtigkeit der eigenen Position Recht zu behalten. Erreicht wird dies durch unterschiedliche Verschiebungen, Wortverdrehungen und anderes mehr. Die Grenzen zur sind dabei fließend. (Quelle: Wikipedia)
Kleiner Update.
Hatte Kasachstan ganz vergessen. Deren Botschafter hatte sich auch derart geäußert, dass Ihre Aussagen so nicht korrekt seien. Abgesehen davon, dass durch die dortige Zensur im Moment nicht mit allzuvielen Web-Angeboten zu rechnen ist und schon gar nicht mit illegalen – wissen Sie, Frau Ministerin, nicht alles, was man im Kino sieht muss wahr sein. Schon gar nicht bei Sacha Baron Cohen.
In der Tat sind indische Web-Server im Gegensatz zu deutschen laut ausländischen Sperrlisten so gut wie frei von kinderpornographischem Material. Die Heise-Autorin Bettina Winsemann ist konsequent genug, Frau von der Leyen auf höfliche Weise zum Rücktritt aufzufordern. http://www.heise.de/tp/blogs/5/141986
Dem kann man sich nur anschließen und die Partei der Fr. v.d. Leyen angehört aus der Favoritenliste für September streichen.
[…] Geschichte wiederholt sich. Damals, 2009, behauptete Ursula von der Leyen immer wieder, Indien sei das Paradies für Kinderpornos und daher brauchen wir das Sperrgesetz. Jetzt behauptet Sigmar Gabriel unbeirrbar, dass die […]