Wolfgang Grupp, Chef des TrikotagenTextil-Herstellers TRIGEMA, hat Elita Wiegand letzten Dienstag ein Interview gegeben. Darin zeigte er deutlich, dass das Internet nun – vorsichtig gesagt – nicht gerade seine Welt ist.
Herrn Grupp kennen wir alle aus den auffallenden TV-Werbespots für TRIGEMA. Von einem lustichen Schimpansen anmoderiert kommen unterschiedliche Filmbeiträge. Der adrette Herr im Dreiteiler, der eine Hand meist zackig in der Hosentasche versenkt, ist Wolfgang Grupp.
Grupp wetterte im Interview gegen ziemlich alles, was er mit dem Internet verbindet. Beispielsweise das mit dem Preisvergleich:

Ja, natürlich, aber die Online-Shops machen die Geschäfte kaputt. Die Kunden vergleichen im Internet die Preise und kaufen das billigste Angebot.

Natürlich machen die Kunden das erst durch das Internet und die Onlineshops, vorher hatten wir ja seiner Meinung nach keine Chance, Preisvergleiche zu machen. Wie unreflektiert und einsetiig seine eigene Aussage war, bewies er zwei Tage später, als er Elita Wiegand einen offenen Brief zumailen ließ, in dem er alles als Missverständnis darstellte und viel relativierte:

[…] dass wir einen sehr erfolgreichen Online-Shop haben, der für uns und unsere Kunden viele Vorteile bietet, nachdem wir nunmehr alle unsere Produkte auch allen in Deutschland anbieten können, da unsere Testgeschäfte nur vereinzelt in Urlaubsgebieten sind und der Handel in der Zwischenzeit sehr stark geschrumpft ist und es viele Handelsunternehmen nicht mehr gibt. Damit war die Möglichkeit eines Online-Shops für uns eine große Chance die Kunden, die nicht mehr im Einzelhandel unsere Produkte kaufen können, nunmehr selbst zu bedienen.

Also macht er genau das, was er den Internetbewohnern vorwirft: Durch Onlineshops wirtschaftliche Vorteile bekommen.
Alles in allem machte Grupp den Eindruck, nicht von dieser Welt, oder wenn doch jedenfalls nicht aus diesem Jahrhundert zu stammen. Und auch nicht aus dem letzten.
Dabei kann man über seine Firma in den Medien nie etwas wirklich Schlechtes lesen. Der Spiegel portraitierte ihn schon 1997 und bezeichnete ihn als „Sanften Patriarchen“. Er ist der unwidersprochene Chef in der Firma, das steht außer Frage. Aber er trägt auch aktiv Verantwortung für Firma und Mitarbeiter. Zwar gehört TRIGEMA nicht der Tarifgemeinschaft an, zahlt durch Weihnachts- und Urlaubsgeld am Ende übertariflich, unterstützt sogar die Initiative Mindestlohn und gibt dem Nachwuchs der Mitarbeiter in gewissem Maße eine Beschäftigungsgarantie.
Andererseits schilderte Grupp in einem Interview mit Der Westen stolz, dass seine Mitarbeiter freiwillig auf Überstundenzuschläge verzichtet hätten. Die genauen Rahmenbedingungen dafür, die den Beigeschmack eines unterschwelligen „Gruppenzwangs“ haben, deckt die Zeitung dann direkt auf:

Allerdings resultierte dieser Wunsch aus der Ankündigung des Firmenpatriarchen, angesichts nach Entlassungen „beim Daimler“ Schlange stehender Arbeitsplatzbewerber die beliebten freiwilligen Überstunden zugunsten von Neueinstellungen abzuschaffen.

Sicherlich zahlt er höhere Löhne. Sicherlich gab es nie betriebsbedingte Kündigungen. Sicherlich ist er sich bewusst, dass er seine Lieferanten nicht in den Bankrott übervorteilen darf, wenn er mit ihnen zusammen arbeiten will.
Andererseits ist er auch sparsam,

[…] unnütze Kosten verabscheut er. Zum Einkaufen gehen die Grupps daher auch in den örtlichen Aldi. „Das ist erste Qualität, ich bewundere die Unternehmer Albrecht.“ (SPIEGEL 1997)

Klar, die Albrechts sind Wunderkinder der Deutschen Wirtschaft, was aber auch mit geringen Löhnen, harter Akkordarbeit an der Kasse, Einsparungen im Ladeninterieur und einem knallhartem Preisdiktat den Lieferanten gegenüber erkauft wurde. Und Grupp weiss das genau:

Nur beruflich ist er mit den Gebrüdern aneinandergeraten. 1995 hat er sie als Kunden verloren, weil er sich weigerte, den Albrechts im Preis nachzugeben. (SPIEGEL 1997)

Grupp ist sicher ein Ausnahmeunternehmer. Das ist klar.
Aber er hat mehrere Seiten. Eine davon zeigt eine hohe ethische Verantwortung für seine Mitarbeiter, die Teil seiner Familie zu sein scheinen. Eine andere zeigt einen spleenig wirkenden Menschen, der einen eigenen Hubschrauber besitzt – für den Showeffekt bei Kundenbesuchen – und sich das Frühstück von einem behandschuhten Butler ans Bett liefern lässt.
Eine weitere Seite zeigt aber eine gewisse Arroganz gegenüber anderen, die anders leben, anders handeln, einfach anders sind. Und er lässt sich nicht reinreden in seine Firma:

Zu der [Gewerkschaft] hat Wolfgang Grupp ebenfalls eine Meinung: „Die Stärke der Gewerkschafen resultiert aus der Schwäche des Unternehmers“.

Person also mit vielen Facetten.

Dieter Höfle von der Gewerkschaft Textil – Bekleidung in Albstadt räumt ein: „Grupp hat zur richtigen Zeit das Richtige getan.“ (SPIEGEL 1997)

Hoffen wir für ihn und seine Mitarbeiter, dass er auch in der aktuellen „Social-Media-Revolution“ das richtige tut.
Bislang waren die (industriellen) Revolutionen stets von den Unternehmen betrieben und meist mit massiven, einschneidenden Veränderungen bei den Beschäftigten verbunden. Beliebtes Beispiel: Die Einführung Diesel-Lokomotive. Sie führte dazu, dass der Heizer, der bei den Dampfloks erforderlich war, wegfallen konnte. Ergebnis: Weniger Arbeiter für das gleiche Ergebnis = mehr Profit.
Dieselben Unternehmer, die gestern noch im Streit mit den Gewerkschaften anführten, dass in Großbritannien noch jahrelang überflüssige Heizer auf Dieselloks mitfuhren, weil Gewerkschaften nichts anders tun, als die Besitzstände ihrer Mitglieder zu sichern, bezeichnen heute das Internet als überflüssig oder gar gefährlich, um ihre eigenen Pfünde zu bewahren.
Aber zum Glück gibt es schon Unternehmer, die mit der Zeit gehen und sich nicht vor Veränderungen fürchten. Und sie werden immer mehr. Die Säugetiere haben ja auch mal klein angefangen, bevor sie die Dinosaurier verdrängt haben.
Hoffnung für Grupps Imperium besteht, denn TRIGEMA nutzt die neuen Medien bereits:
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Eine Facebook-Gruppe ist auch vorhanden.

UPDATE: Gestern Abend hat Wolfgang Grupp in einer Sonderssendung des Webradios CLIQ.FM Stellung bezogen – die Sendung liegt als Podcast bereit.