Jetzt ist es in Bayern durch: Das absolute Rauchverbot. Niemand darf nirgendwo mehr rauchen, und Schuld sind faschistoide Nichtraucher.
So klingt jedenfalls das Echo im Netz nach, und nicht nur im Netz.
Vorgweg: Ich bin Nichtraucher. Habe nie geraucht, höchstens passiv. Und ich bin mit den Lebensjahren recht tolerant geworden, in meinen beiden „Stammkneipen“ in Krefeld wird geraucht, was das Zeug hält. Und ja: Ich besitze sogar einen Aschenbecher, falls Besucher mal nicht anders können.
Der Entrüstungssturm in einigen Kommentaren ist aus meiner Warte amüsant. Da wird eine Dichotomie zwischen „den Nichtrauchern“ und „den Rauchern“ konstruiert, die einen würden die anderen unterdrücken.
Auch die taz druckt einen solchen Kommentar ab, Julia Seeliger schreibt darin:
Die Gesundheitsterroristen wollen aber auch wirklich jeden Spaß vermiesen. […] Und jetzt geht es auch wieder gegen die Raucher.
Ah, „die Raucher“. Sieh an. Wer soll das denn sein? Frau Seeliger zunächst mal. Nicht dazu gehört sicherlich eine Bekannte von mir, die zwar raucht, aber am liebsten damit aufhören würde, nur den richtigen Zeitpunkt, den richtigen Mann, die richtige Wohnung etc. braucht. Typisches Suchtverhalten, nebenbei bemerkt. Bis dahin freut sie sich über Restaurants und andere Lokale mit Rauchverbot, weil sie da nicht „zur Gesellschaft“ so viel mitraucht.
Warum also die Dichotomie? Sie ist Blödsinn, wie auch das Ergebnis des Bayerischen Volksbegehrens zeigt. Wäre da eine Dichotomie, dann hätten „die Raucher“ und „die Nichtraucher“ gezielt ihre Anhängerinnen und Anhänger mobilisiert, um das Ergebnis zu beeinflussen. Taten sie aber nicht. Insgesamt war die Beteiligung eher gering:
@DocSarah bemängelt, dass nur 30% der Stimmberechtigten am Volksbegehren teilgenommen haben. Kein Quorum – die Minderheit der Bayern hat abgestimmt.
Das ist zunächstmal in der Tat nicht unbedenklich. 61% der Stimmen entfielen auf das strikte Nichtraucherschutzgesetz. Das heisst, dass auf alle Stimmberechtigten die Kreuzchen von weniger als 20% ausreichten, um 100% das Rauchen an öffentlichen Orten zu verbieten.
Das wäre beispielsweise dann kritisch, wenn es in Bayern tatsächlich nur 20% Befürworter des Nichtraucherschutzgesetzes gäbe und die Gegner am letzten Sonntag, als abgestimmt wurde, gerade mit Bronchitis im Bett lagen oder Zigaretten holen waren, statt abzustimmen. Ganz so war es aber nicht, denn landesweit gingen 37,7% der Stimmberechtigten zu den Urnen.
Persönlich wundert mich die geringe Beteiligung sogar, denn die Lobbyarbeit der Tabakbranche ist berüchtigt. Ich hätte sogar eine Kampagne erwartet, in der nicht nur die Gefahren des Passivrauchens kleingeredet, sondern gern gewählte soziale Aspekte („Ihr gefährdet Arbeitsplätze!“) etc. angeführt werden.
Vielmehr glaube ich: Einem großen Teil der fehlenden 63% der Stimmberechtigten ist das Ergebnis schlechthin egal gewesen.
Und ich stimme @DocSarah zu: Auch eine Regelung des Alkoholkonsums ist nicht unwichtig. Aber es gibt so viel zu tun – irgendwo muss man anfangen, oder? Nebenbei bemerkt ist das die gleiche Argumentation, mit der Tierschützer vor Pelzgeschäften konfrontiert werden: „Was macht Ihr für die Kinder?“ – „Synthetikfasern fördern aber den Treibhauseffekt“…
Uiuiui, Herr @sixtus, das sind ja Argumente, die mich an die Gewissensprüfung in Wehrdienstverweigererverfahren der späten 1970er erinnern. Wo der Führerschein als Beleg genommen wurde, dass der Prüfling eben doch mit gefährlichen Waffen hantiert, die den Tod anderer Menschen verursachen können, wodurch seine Aussage, er könne den Wehrdienst mit der Waffe nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, unglaubwürdig sei.
Das ist zwar noch nicht ganz allerunterste Schublade, aber auf dem besten Weg dahin. Die ganzen Tweeds und Blogposts mit Stalinismus- und Hitlervergleichen schenke ich mir an dieser Stelle. Die sind ja eh wie aus einem Baukasten, da könnte man glatt einen „Hitlervergleichsgenerator“ programmieren, der, mit ein paar Schlagworten gefüttert, die allfälligen Beleidigungen rausposaunt.
@UsualRedAnt twittert „Rauchverbot: Die grünen Nannys“ mit Link zu einem Blogpost, der witzigerweise wieder von der eingangs zitierten Julia Seeliger stammt.
Und es macht natürlich die Mär die Runde, dass durch den Mehraufwand für die Überwachung des Rauchverbots (Securitydienste, Rausschmeisser, Rauchmelder, Videoüberwachung, um Beweisbilder zu haben) der Bierpreis steigen wird. Eine Argumentation, die bei Tage besehen fadenscheinig ist:
In ein paar Wochen taugt das bajuwarische Rauchverbot nur noch für Zwischenrufe in langweiligen Ratsausschusssitzungen, wenn der F.D.P.-Fraktionsälteste auch mal wieder namentlich im Protokoll erwähnt werden möchte.
Ola!
Ich halte es für gewagt, aus einem Tweet auf die Gemütslage oder politische Überzeugungen zu schliessen. Lesens- und damit tweetwert sind ja durchaus auch Artikel, die nicht die eigene Meinung wiedergeben.
Ich habe z.B. sehrwohl Julias Artikel „vertwittert“, mache mir ihre Meinung damit jedoch nicht zu eigen. Im Gegenteil bemühe ich mich, die Diskussion zu versachlichen und habe in meinem Artikel „Taliban gegen Taliban – (Nicht)Raucherkrieg in Bayern“ http://usualredant.de/drogen/raucherkrieg-in-bayern.html zunächst einmal (nur) die Fakten präsentiert. Für ihre (drogenpolitische) Bewertung ist noch genug Zeit, wenn alle wieder etwas weniger aufgeregt sind.
Mit hanfigen Grüßen
Steffen