Ähnlich der Winterreifenpflicht war es lange absehbar, wird jetzt aber gerade kurz vor knapp durch die Entscheidungsgremien geprügelt: Die neue Version des JMStV, des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages
Der Westen hat die Problematik für die „kleinen“ Betreiber von Webseiten auf den Punkt gebracht. Die Einschätzung von YuccaTree, dass durch den Vertrag ein juristisches Minenfeld für Blogger entsteht, teile ich voll und ganz.
Tiefere Hintergrundinformationen finden sich bei Thomas Schwenke, unter anderem zur Frage, ob man nun Alterskennzeichnungen und einen Jugendschutzbeauftragten einführen muss:

Theoretisch nicht, denn die Anbieter können die Inhalte stattdessen wie bisher ab bestimmten Zeiten zugänglich machen oder durch technische oder sonstige Vorrichtungen vor Zugang durch Jugendliche schützen.

Da käme doch eine kollektive Aktion gerade Recht.
Wie die meisten Menschen arbeiten Jugendschützer zu den normalen Bürozeiten. Nach Beginn der „jugendfreien Sendezeiten“ haben sie (def acto) nichts mehr zu melden.
Um den Jugendschützern zu demonstrieren, welcher Schwachfug der JMStV ist, wäre es möglich

  • ein Javascript zu codieren, dass, in die Blog-Templates eingebunden, außerhalb der „Sendezeiten“ nur einen Hinweis auf den JMStV einblendet
  • von dort auf eine Kampagnenhomepage verlilnkt und umleitet, auf der nähere Infos zur Problematik zu finden sind, sowie Musterbriefe zur Beschwerde bei den politischen Mandatsträgern.
  • allen Robots jedoch die tatsächlichen Blogbeiträge etc. ausliefert, damit wir weiterhin zu finden sind.
  • für Menschen, die nun unbedingt Websites sehen wollen, die dem JMStV Genüge tun, auf BILD & Co verlinken

Die Hoffnung dabei: Es machen genug Blogger mit, um den Medien und damit der Öffenltichkeit den Unsinn der Regelungen zu zeigen. Die Blogs sind nach wie vor erreichbar, nur halt erst nach 20 Uhr.
Das mal als Denkanstoß, schnell ins Unreine formuliert.
Meinungen und Ideen gerne als Kommentare.

Update:
Inzwischen gibt es spezifischere juristische Kommentare zum Thema.
Jens Ferner schreibt als Fazit, dass die „Sendezeitenregelung“ schon in der alten Version des JMStV enthalten war und von den amtlichen Jugendschützern nicht in der Art durchgesetzt wird, wie die Blogosphäre es fürchtet.
Trotz seiner positiven Einschätzung schreibt er:

Mit diesen Worten gegen die allgemeine Hysterie möchte ich aber keinesfalls schönreden, was da inhaltlich zusammengemurkst wird. Und in der Tat ist nicht vorhersehbar, wie sich das letzten Endes im Alltag wirklich entwickeln wird.

In der Tat sind nicht nur (amtliche) Jugendschützer ein Risikofaktor. Die verfassungskonforme Auslegung der Normen, die er vornimmt, ist nur eine der möglichen Methoden, Rechtsnormen zu intepretieren.
Thomas Stadler legte die neuen Regelungen schon im August teleologisch aus. Dazu erforscht er anhand der Erläuterungen, die im Gesetzgebungsverfahren gemacht wurden, was der Normengeber erreichen wollte:

Die Vorstellung des Gesetzgebers ist also die, dass es in naher Zukunft Filtersoftware geben wird, die diese technische Komponente anwendet. Wenn dies nach dem sog. White-List-Prinzip geschieht, dann bedeutet das nichts anderes, als dass Internetangebote, die keine entsprechende Kennzeichnung aufweisen, von Jugendlichen nicht mehr aufgerufen werden können.

Das ändert jedoch nichts daran, dass die Einstufungen in verschiedene Altersklassen in Eigenleistung kritisch ist und das Einrichten eines Jugendschutzbeauftragten Geld kostet (siehe auch die Kommentare zu diesem Posting).
Zwar schreibt Jens Ferner

Ich möchte das schon weit auslegen und feststellen, dass letzten Endes eine Kennzeichenpflicht bei Webseiten, die sich mit dem gesellschaftspolitischen Zeitgeschehen beschäftigen, nicht angenommen werden kann.

Aber das ist unsicher – und solange es nicht entsprechende Urteile zum Thema gibt, besteht immer ein rechtliches Risiko. Sind Blogs wie dieses „Webseiten, die sich mit dem gesellschaftspolitischen Zeitgeschehen beschäftigen“? Und wenn ja: Hatte Jens Ferner Recht mit seiner Einschätzung?
Und wie ist das mit Blogs, die sich nicht mit Zeitgeschehen befassen? In denen Kurzgeschichten, Kochrezepte oder Katzenbilder publiziert werden? Für sie gilt – nach den Buchstaben ders JMStV – entweder eine Alterskennzeichnung mit den hinlänglich beschriebenen Konsequenzen oder wahlweise eine Altersüberprüfung oder die Einrichtung von „Sendezeiten“.
@Enrico, Kommentar 2: Eine (zeitlich beschränkte!) Aktion mit einer Aktionswebsite kann einiges bewirken und zur Sensibilisierung führen. Viele „Internetnutzer“ klicken sich tags dorch Blogs und Communites und würden durch eine solche Aktion – nennen wir sie vielleicht Blogger-Streik? – merken, was für ein Blödsinn als „Jugendschutz“ verkauft wird.
Die „amtlichen“ Jugendschützer tun zwar womöglich nichts gegen Websiten ohne Alterseinstufung oder Sendezeiten, aber das sind nunmal nicht die einzigen möglichen Kläger. In einer Zeit, in das unsägliche TV-Format „Tatort Internet“ als werbewirksame Kampagne die Arbeit eines bis dato unbekannten Kinderschutzvereins flankiert, sind genügend Trittbrettfahrer unterwegs – Enno Park schreibt auf YuccaTree sehr richtig:

Sicher hingegen ist, dass halbseidene Abmahner ein neues Betätigungsfeld bekommen: Gewerbliche Webseiten müssen nämlich künftig explizit einen Jugendschutzbeauftragten mit Namen und Adresse im Impressum führen. Und “gewerblich” ist eine Webseite ab dem geringsten Fitzelchen Adsense-Werbung – vermutlich reicht für die Gewerblichkeit sogar schon ein Flattr-Button. Für Medienpädagogen mit Netzaffinität könnten auch bald goldene Zeiten anbrechen. Mit der Dienstleistung, “Prüfung der Alterseinstufung” einschließlich der Nennung des Prüfers als Jugendschutzbeauftragten im Impressum lässt sich sicherlich ganz gut was verdienen.

Wir können kaum noch Einfluss darauf nehmen, wie die Beschlussfassung ausgeht. Das haben uns die Grünen und ihre Koalitionstreue gezeigt. Wir können nur hoffen, dass in der Gesellschaft – und damit auch bei Richterinnen und Richtern – genügend Verständnis für die Problematik entsteht, dass es nicht zu kräfte- und geldzehrenden Klagen durch alle Instanzen kommt, bis einigermaßen Rechtssicherheit besteht.

Update 2:
Udo Vetter hat die Rechtslage sehr ausführlich erläutert und gibt eine relative Entwarnung.
Auch er sieht die meisten Blogs als Webangebote, die sich (zumindest auch) mit tagesaktuellen Themen befassen und daher ähnlich den „richtigen“ Onlinemagazinen keine Altersfreigabe etc. benötigen. Die Lektüre seines Posts legt nahe, dass man durch eine Kennzeichnung „Ab 18“ und die Benennung eines Jugendschutzbeauftragten (der man auch selber sein kann) erstmal komplett aus dem Schneider ist.
Die standardisierte Kennzeichnung soll nach der jetzigen Intention dazu genutzt werden, dass Filtersoftware auf den heimischen Rechnern Minderjährige Surfer vor bösen Inhalten schützen können. Derzeit gibt es diese Standards noch nicht in vereinheitlichter Form – und wir wissen ja alle, wie fit Kids heute mit dem Computer umgehen und solche Software schnell aushebeln können.
Nach dem „Zugangserschwerungsgesetz“ werden über kurz oder lang Rufe zu hören sein, wir sollten doch die Kinder schützen – indem die Filter vom heimischen PC auf die Webhoster oder die Zugangsprovider verlagert werden. Zwar schreibt Udo Vetter:

Ich habe trotz intensiver Suche keinen Beleg dafür finden können, dass ernsthaft über Filter auf Providerebene nachgedacht wird. Das würde ja auch zu einer faktischen Abschaltung des kompletten Internets für die betreffenden Kunden führen

Warten wir einfach mal die nächsten beiden Sommerlöcher ab. Irgendwelche Bundestagshinterbänkler, Unschuldsverteidigungsvereine oder Freifrauen werden sich bestimmt zu Wort melden.
Ich kann mich allerdings Udos Fazit anschließen:

Bloggen selbst wird mit dem JMStV sicher nicht einfacher. Aber ich sehe auch keinen Grund für Panik. Selbst wenn die Regelung kommt, macht sie ein Blog nicht zum unbeherrschbaren Risiko. Wenn man denn im Netz verstummen will, gibt es dafür sicher bessere Gründe als den JMStV.

Was meiner Meinung nach nicht dagegen spricht, den Unsinn der gesamten Regelungen in einer konzertierten, zeitlich begrenzten Aktion anzuprangern.

Update 3:
Eine Aktion ist da. Das ist schonmal toll. Dirk Olbertz hat ein WP-Plugin geschrieben, das hier ab sofort für mehrere Monate zwischen 17 und 18 Uhr eine schmucke Protestseite mit weiterführenden Links anzeigte.
Für das Kurzgeschichten-Gemeinschaftsblog, das ich gerade mit einigen Co-Autor/innen aufbaue, habe ich ein weniger zum Protest als zur Umsetzung des JMStV geeignetes Plugin von Sergej Müller entdeckt, mit dem ich notfalls den Stories mit zu viel Anteil an Körperflüssigkeiten ihre Sendezeiten einräumen kann:
Plugin JMStV 0.2 von Sergej Müller

Kategorien: Allgemein

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14 Jahre zuvor

Ich habe auch an sowas gedacht. Würde mich freuen wenn jemand ein solches WordPress Plugin dafür entwickelt, ich wär dabei. das WP #JMStV Plugin 🙂

Ein Jugendschutzbeauftragter kostet bisher im günstigsten Angebot 49 € Pro Monat und Blog.

Ich könnte brechen.

14 Jahre zuvor

Und was hätten wir davon? Das die Lügenpresse den begehrten Traffic aus all den Blogs bekommt, Google alle Teilnehmer wegen Cloaking abstraft und keinem der Teilnehmer auch nur ein Vorteil entsteht?

Ratet mal warum die „Großen Nachrichtenmagazine“ wie sich Bild und Co ironischerweise betiteln von der Regelung ausgenommen sind.

Und warum sollten die dann darauf hinweisen? Mehr Traffic auf den Schrottangeboten bedeutet doch mehr Einnahmen für diese Medienunternehmen.

Die einzige Hoffnung die man derzeit haben kann ist dass dieses selten dämliche Gesetz nicht durchgeht, ansonsten hagelt es im Januar Abmahnungen…