Diese Internet-Meme sind schon eine komische Sache. Sie ploppen auf und alle lachen. Aber manchmal ist die Pointe gar nicht das, was wir als erstes sehen. Und dadurch ist die Sache manchmal sogar noch witziger, als der erste Blick annehmen lässt.
Wer die leider nicht mehr aktualisierte Galerie für ordinäre Alltags- und Parkkunst kennt, hat sicherlich schonmal Lachtränen über die dort verewigten Kunstparker vergossen, die es beispielsweise schaffen, mit zwei Kleinwagen bis zu sechs Parkplätze zu blockieren. Bei manchem „Künstler“ fragt man sich gar, ob solche Menschen sich ohne schwere Verletzungen ein Brot schmieren können.
Am 13.6. berichtete die WAZ auf ihrem Onlineportal Der Westen von einem Helden der Parklücke.
Was war passiert? Der Lehramtsstudent von der Uni Siegen war spät dran und fand nur eine Parklücke zwischen einem wahren Kunstparker und einem richtig eingeparkten Fahrzeug. Freunde lotsten ihn in die Lücke und er stieg, weil keine Tür sich mehr öffnen ließ, durch den Kofferraum aus.
Im Laufe des Tages bemerkte er, dass er durch dieses Parkmanöver zum Helden der offenbar chronisch Parkplätze suchenden Uni geworden war. Es gab sogar eine Party ihm zu Ehren.
Soweit der Bericht der WAZ.
Bitte mal aufzeigen: Wer hat die Pointe gefunden?
Ah, niemand.
Die Pointe steht nämlich nicht in der WAZ. Es ist anzunehmen, dass der Autor, Hendrik Schulz, ihr Fehlen auch gar nicht vermisst: „Da parkt einer in eine enge Lücke ein und steigt durch den Kofferraum aus. Naja. Muss man nicht verstehen, diese Studenten mal wieder.“
Was war wirklich passiert?
Der Kunstparker hatte den weißen, sportlichen Wagen nicht nur bewußt rückwärts eingeparkt, sondern auch noch vorsätzlich so auf die Grenze der Parkplätze gestellt. Warum? Damit er nicht zugeparkt wird.
Als er zu seinem Fahrzeug zurück kam konnte er die Fahrertür nicht mehr erreichen und war not amused. Tatsächlich tobte der Kunstparker vor Wut. Dadurch fiel die Absurdität der Fahrzeuganordnung erst auf.
Die Pointe war also nicht, dass da jemand toll eingeparkt und dann durch den Kofferraum ausgestiegen ist.
Die Pointe war vielmehr, dass er unbeabsichtigt jemandem, der absichtlich Parkraum verschwendet und damit ein Dorn im Auge vieler Zeitgenossen ist, eins ausgewischt hat.
Und die Pointe geht noch weiter. Hat jemand eine Idee, wer das Foto der Parkplätze gemacht und in der Facebookgruppe der Uni Siegen gepostet hat? Na? Da hinten?
Richtig! Der Kunstparker war es selber. Auf Shortnews.de steht das sogar in den Leserkommentaren:
Diese Dynamik, die die Geschichte bekommen hat, hat sie vor allem der Person 1 zu verdanken, die in der Facebook-Gruppe der Uni dieses Foto selbst gepostet hat und sich über den „Helden“ beschwert hat. Zur Einsicht gekommen ist die Person 1 leider nicht – obwohl sie ja über 2 Plätze stand. Sie sagte sogar, dass sie es so gemahct hat, damit sich niemand neben sie stellen kann.
Das ist dann doof gelaufen!
Ich könnte jetzt wieder über den Niedergang der Lokalpresse lamentieren, über gestrichene Festanstellungen von Journalisten und über geschlossene Lokalredaktionen, über mangelnden Recherchewillen des verblieben Personals und die Vereinheitsbreiung der Tagespresse.
Aber das seht Ihr alle ja selber.
[Update 1:] Ganz so schlimm und gegen die allgemeinen Regeln parkte der „Kunstparker“ dann doch nicht. Wie sich aus einem anderen Bild ergibt, war auf der anderen Seite kein Parkplatz, sondern eine ungenutzte Fläche.
Nichtsdestotrotz hätte der VW des „Helden“ auf der ungenutzten Fläche Platz gefunden – wenn der Kunstparker sein Auto zwischen die Markierungen gestellt hätte. Im Ergebnis ändert sich also nicht viel.
[Update 2:] Inzwischen hab ich auch einen Screenshot des Postings in der FB-Gruppe bekommen. Die Darstellung aus dem Leserkommentar bei Shortnews.de ist korrekt. Zum Verlinken stehen mir da allerdings zu viele Realnamen drin.