…dann kommen Geschichten zustande, die die besten Kurzgeschichten abgeben. Heutige Folge: Der getrollte Pick Up Artist.
Sue Reindke twitterte heute einen Link auf einen Forenpost mit einer Geschichte, die mir bekannt vorkam. Bekannt aus meiner Zeit als Single, in der ich natürlich auch in diesem Internetz auf Frauen getroffen bin, die mich interessiert haben und die ich näher kennenlernen wollte.
Die Geschichte stand in einem Forum und war Teil der Frage eines Mannes um die 30, was er in Bezug auf eine Frau nun machen solle. Zuerst dachte ich, es sei ein Fußballfanforum und der Off-Topic-Bereich.
Er hatte die Frau auf Twitter kennen gelernt. Sie schrieben, fanden einander interessant, tauschten dann die Handynummern aus.
Aber mehr als SMS ging nicht. Sie wollte nicht telefonieren.
Weil sie mit dem Hund ging (und beim Gassi gehen natürlich mit der freien Hand problemlos eine SMS tippen aber nicht telefonieren kann). Oder: Weil sie gerade Auto gefahren sei.
Aber SMS ging immer, sogar sehr lange SMS.
Die Kommunikation führte dann zum Abstecken bestimmter Claims in Sachen Oberflächlichkeit etc, war aber für mein Empfinden langatmig. Jedenfalls spielte er ihr vor einem Wochenende den Ball mit dem Telefonanruf zu und wartete absehbar vergeblich.
Woraufhin sie ihm Vorwürfe machte, dass er sich nicht melde.
In diesem Moment sah ich Muster, die ich schon selber erlebt habe. In einer Singlebörse schreibt man sich, tauscht die Handynummern aus, aber Telefonieren geht nicht. Nur SMS. Festnetz hat man nicht. Ich hab selber Kontakte erlebt, bei denen sich das Profil in der Singlebörse während der Kommunikation überraschend veränderte.
Oder das Profil verschwindet und das Handy ist danach aus. Genauer gesagt: Im Handy ist vermutlich eine neue Prepaid-Karte mit einer neuen Nummer und auf einer neuen Singlebörse tauchte ein neues Profil auf.
Was der Autor dieser Geschichte erlebt hat, das sind alles Warnsignale, dass er gerade einem Fake aufsitzten könnte. Wer sich mit diesem Phänomen, den Hintergründen und konkreten Fällen noch nicht befasst hat, der sollte jetzt kurz abschweifen, hier weiterlesen und dann gerne zurück kommen.
Das Nichttelefonieren, das gerade mal mit Ausreden begründet wird, ist ein mehrfaches Warnzeichen. Will da jemand seine Identität verbergen? Durch die Stimme könnte man ja zum Beispiel erkennen, dass der Mensch hinter der Handynummer vielleicht gar keine Frau ist oder eine andere Muttersprache hat. Oder lebt sie in einer Beziehung und hat aus organisatorischen Gründen Probleme, das Telefonat vor dem Partner geheim zu halten?
Geht es ihr gar nicht um ein Kennenlernen, sondern um emotionale Erlebnisse wie Zuneigung, Aufmerksamkeit oder auch Machtausübung, die ihr in ihrem restlichen Leben fehlen?
Dann stutzte ich. Er schrieb über sie:
Hier hätte man eigentlich schon NEXTEN müssen, oder? Ich meine, so ein asoziales Verhalten geht mal gar nicht, oder?
NEXTEN? Hä? Wo bin ich hier denn gelandet?
Klar: In einem Pickup-Artist-Forum. Pickup-Artists. Typen, die das Aufreißen und Abschleppen von Frauen professionalisieren und ihre Methoden nach dem best practise-Prinzip dokumentieren.
Ich musste lachen. Sie spielte etwas mit ihm – machte ihm Vorwürfe, drängte ihn damit in die Verteidigungsposition, ließ ihn wieder herankommen, sie trafen sich tatsächlich, dann verreiste sie und jetzt steht er auf dem Schlauch. Genau jetzt, denn das Posting ist vom 26.8.2014.
Grandios.
Ich weiß nicht, warum die Frau ein solches, letztlich inkonsistentes Verhalten zeigt. Einmal können es die Gründe sein, die ich oben geschrieben habe, zum anderen kann es auch Angst sein, Unsicherheit, alte Traumata.
Vielleicht – und das halte ich inzwischen auch nicht für völlig abwegig – hat sie ihn sogar als Amateuraufreisser erkannt und spielt nun mit ihm.
Pickup Artists verzetteln sich für gewöhnlich nicht in solchen Kontakten. Das ist anders als bei Menschen, die ehrlich Kontakte suchen. Wenn man echte Hoffnungen in eine Person setzt, dann nimmt man das eine oder andere in Kauf. Ich hätte in meiner Singlezeit den Kontakt nach den verhinderten Telefonaten auch noch nicht abgebrochen, sondern aufmerksam beobachtet. Und lieber noch eine Chance gegeben als zu früh die Flinte ins Korn zu werfen.
An dieser Geschichte hab ich aber Spaß gefunden.
Denn:
Pickup-Artists sind auch auf ihre Weise kleine Fakes. Sie täuschen emotionales Interesse an einer Person vor, nutzen dabei optimierte und erlernte Methoden, mit dem einzigen Zweck, die Person ein oder mehrmals ins Bett zu bekommen.
Woanders nennt man sowas „Arschloch“.
Und hier ist einer dieser Spezialisten und outet sich auch noch als Trottel, der sich wie ein Esel eine Möhre vor die Nase hängen lässt, damit er immer in die richtige Richtung trabt.
Sue schlug auf Twitter vor, die Dame ausfindig zu machen und ihr den Link zukommen zu lassen. Genügend Eckdaten stehen im Forum, die Geschichte geht rum. Der Erstkontakt der beiden fand via Twitter statt.
Bis sie den Link auf die Story in ihrer Filterbubble findet wird nicht sehr viel Zeit vergehen.
Hoffentlich erzählt er, wie es weitergeht, ich bin schon gespannt.
Aber Volker! Du kannst doch dabei nicht unterschlagen, dass die Frau ein Opfer ist!
Erst diese Pickup-Aufreißmasche und dann stellt der Arsch das noch ins Internet!
Ich finde, Du erkennst das genau richtig. Ich glaube zwar nicht, dass sie ein Fake ist, immerhin haben sich die beiden tatsächlich getroffen, aber hier treffen auf jeden Fall ZWEI Ärsche aufeinander.
Eine erwachsene Frau, die so bescheuert mit einem Mann umgeht, der Interesse an ihr zeigt, ist nämlich genauso peinlich wie ein erwachsener Mann, der manipulative Spielchen spielen muss, um eine Frau ins Bett zu kriegen. Denn natürlich hat sie NICHT erkannt, dass er ein Aufreißer ist, und sich nur ausnahmsweise und dieses eine Mal so kindisch verhalten. Menschen verhalten sich nicht heute so und morgen ganz anders, die meisten sind überraschend stringent in ihren bescheuerten Ansichten und Verhaltensmustern. Eine Frau, die sich hier trotz zugesagter Rücksprache mehrere Tage nicht meldet und dann IHM Oberflächlichkeit unterstellt, weil ER sich nicht meldet, tut das beim nächsten Mann ganz genau so. Und vermutlich hat sie es beim letzten Mann auch schon so gemacht. Uraltes, superweit verbreitetes weibliches Verhaltensmuster, um die Ernsthaftigkeit seines Interesses auszuloten. So wie er Frauen nach Schema F zu knacken versucht, versuchen Frauen das auch mit Männern.
Albern und peinlich ist es auf beiden Seiten und jedenfalls, meine Güte, bin ich froh, dass ich dieses Tralala hinter mir habe!
Vielleicht ist sie ja wirklich Opfer. Können wir kaum beurteilen. Möglicherweise kommt ihr Verhalten ja von Traumata, die sie erlitten hat. Wäre nicht nur nicht unwahrscheinlich, sondern auch etwas, das ich auch schon erlebt habe. Kann man ihr dann alles nicht vorwerfen, sie kann es nicht besser und wenn es um Ängste geht, dann ist die Rationalität ausgeschaltet.
Andererseits hab ich als Mann in den meisten Fällen eines Flirts eine normale und logisch nachvollziehbare Kommunikation erlebt. Außer in den Fällen, in denen das Gegenüber etwas zu verbergen hatte. Die Frau zum Beispiel, die bisher unverheiratet war und nie Kinder erwähnte, dann schlief der Kontakt ein und 2 Wochen später stand „in Trennung lebend“ und „2 Kinder, die bei mir wohnen“ im Profil. Da sah das mit SMS und Telefon so ähnlich aus wie in diesem Fall.
Ich bin jetzt aber gespannt, wie es in der Geschichte weitergeht.
Sorry, Volker, aber eine Frau nicht für ihr Verhalten zu kritisieren, weil sie „Opfer“ sein und „Traumata“ erlitten haben könnte, ist in meinen Augen sexistisch. Das hat etwas sehr Kopftätschelndes und macht aus einer erwachsenen, mündigen Frau ein zerbrechliches Kind.
Von einem erwachsenen Menschen egal welchen Geschlechts kann ich erwachsenes, logisch nachvollziehbares Verhalten erwarten – und kritisieren, wenn das nicht kommt. Das nicht zu tun, weil sie schlimme Erfahrungen gemacht haben könnte, spricht sie von jeder Notwendigkeit frei, die Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen.
Sexismus ist für mich: einem anderen Menschen qua seines Geschlechts einen Stempel aufzudrücken oder ihn anders zu behandeln. Einem Mann würdest Du ein solches Verhalten auch nicht durchgehen lassen, sonst hättest Du Dir die Frage gestellt, warum er es nötig hat, „Pickup Artist“ zu werden. Vielleicht ist er ein unansehnlicher, schüchterner Kerl, der als Teen so sehr von Mädchen gehänselt wurde, dass er alle Gefühle tief in sich verborgen hat und sich Frauen nur noch so nähern kann.
Du merkst, was ich meine.
Ein Arsch ist ein Arsch.
Ich seh die konkrete Situation der beiden unterschiedlich.
Das mit dem „Kopftätschelnden“ ist ein Argument, bzw. wäre es, wenn ich es täte, weil sie eine Frau ist. Ich hab mich aber selber schon in der Situation entdeckt, dass ich am Vorabend eine Handynummer bekommen habe und ums Verrecken nicht anrufen konnte, weil ich eine Heidenangst vor Zurückweisung hatte. Ich konnte nichtmal eine SMS schreiben, weil ich Angst hatte, dass sie dann anruft. Das ist nichts weibliches, sondern eher menschliches, das ich auch bei anderen Männern schon gesehen habe.
Die konkrete, unmittelbare Konfrontation mit einer angstbehafteten Situation ist ein affektiver Ausnahmezustand. Das einzige, was man ihr unter dieser Annahme in der Geschichte vorwerfen könnte: Dass sie ihn nicht drüber aufklärt. Aber das ist wieder ein anderes Thema.
Er hingegen ist nicht in die Pickup-Artist-Gemeinschaft gegangen, weil er sich in einer affektiven Ausnahmesituation befindet. Er ist dort abgeklärt, wenn nicht gar abgebrüht, und selbst, wenn er das Erscheiungsbild von Gollum hat, hat er zum einen die freie Entscheidung gehabt, sich dort zu registrieren, und jeden Tag die freie Entscheidung, sich wieder abzumelden.
Aber sein Aussehen und ihre Ängste sind eh nur Spekulation.
Wahrscheinlich ist er einfach ein Arschloch. Bei ihr seh ich nach meiner subjektiven Sicht 50% Wahrscheinlichkeit, dass es ist, wie Du sagst (sie spielt im Moment einfach nur mit ihm rum) oder wie @RealFakesNet es vermutete (inzwischen wieder gelöscht): Sie vertuscht etwas. Möglicherweise, dass sie in einer Partnerschaft lebt und sich durch den Kontakt irgendeine Befriedigung verschafft. Beides wäre ebenfalls etwas, das in die Kategorie „Arschloch“ passt.
Deshalb amüsiert mich die Geschichte auch so.