Qualitätspresse. Der „STERN“ will ja auch dazu gehören. Ich lese ihn nur noch selten und landete eben durch einen Fehlklick auf einem seiner hochwertigen Artikel.

Mir ist egal, ob und wieviel Wein Gérard Depardieu so trinkt. Ist seine Sache. Die „irre Alkoholbeichte“, die der „STERN“ da aufschrieb, ist aber auch nur eine ungeprüfte Information aus zweiter dritter Hand. Und der „SPIEGEL“ kommt in dieser Geschichte am Ende auch vor und macht alles noch schlimmer.

Gérard Depardieu trinkt Wein. Aha.Laut „STERN“ fängt Depardieu laut „Gala“ laut „So Film“ morgens mit Champagner an, wechselt zu Wein, trinkt dann Pastis, um weiter Wein zu trinken, abends die Pastisflasche zu leeren und dann zu Whiskey zu wechseln. Dabei würde er nie richtig betrunken. Wenn es zu viel sei, mache er ein kurzes Nickerchen, um dann Rosé zum Aufwachen zu trinken. Irgendwie schafft er es dann noch, Vodka und Bier unterzubringen und mir wird vom Lesen schon schummrig.

Die „Gala“ ist im Online-Artikel noch verlinkt, zur Recherche, ob das Interview in der „So Film“ online verfügbar ist, reichte es dann nicht. Oder die Französischkenntnisse reichten nicht, „So Film“ ist ein französisches Magazin.

Nun hat der „STERN“ in seiner Redaktion vermutlich eh kein Internet. Das würde die Journalisten dort vermutlich vom Qualitätsjournallieren ablenken. Fragt man Google nach „So Film Depardieu“ findet man das Interview sogar übersetzt im englischen Ableger des Magazins. Udn zwar auf Platz zwei der Trefferliste, direkt nach dem Wikipedia-Eintrag zum Schauspieler.

Was sagt er dort zum Thema „Trinken“?

Wenn ich mich langweile, dann trinke ich. Abgesehen von gelegentlichen Abstinenzpflichten. Nachdem ich mich einer Bypass-Operation unterzogen habe (fünffach!), und auch wegen Cholesterin und so, muss ich vorsichtig sein. Wie auch immer, ich werde nicht sterben. Nicht jetzt. Ich habe noch immer Energie. Aber wenn ich jemals zu trinken anfange… Ich kann nicht wie ein normaler Mensch trinken. Ich kann 12, 13, 14 Flaschen absorbieren… proTag. Aber ich bin nie völlig betrunken, nur ein bisschen angeschickert. Dann braucht man ein 10-Minuten-Nickerchen, einen Schluck Rosé und ist wieder fit wie ein Turnschuh! Ich muss aber auch zugeben, wenn ich anfange zu zählen, fangen die Ärzte an, sich zu sorgen.

Ach. Wenn er anfängt zu trinken. Wenn er sich also langweilt. Dann zieht er ordentlich Wein durch. Von Pastis ist keine Rede. Von Whiskey ist keine Rede. Auch nicht von Champagner. Oder Vodka. Oder Bier.

Vermutlich hat die „Gala“ Insiderinformationen, Ganz heiße. Also schauen wir uns mal den Artikel an. Einleitend werden zwei Alkoholunfälle erwähnt. 1998 und 2013. Ganz klar: eine Serie. Und, dass er mal betrunken in ein Flugzeug gepinkelt hat.

Was Reuters zum Flugzeugzwischenfall schreibt klingt allerdings etwas anders. Zwar war er alkoholisiert, aber das Problem war anscheinend die Prostata. Er musste einfach pinkeln, aber halt schon während des Starts, wo das Klo zu ist. Er wollte sich in seiner Not helfen, pinkelte in eine Flasche, die aber zu klein war. Dass danach ein Wort das andere gab ist vorstellbar, aber das Bild des pöbelnden und in die Ecke pissenden Trinkers ist dann doch eher falsch.

Und einen Bypass unterschlägt die Gala ihren Lesern auch noch, sie spricht von vier Bypässen, was die Vermutung nahe legt, dass auch sie das Interview in der „So Film“ gar nicht selbst gelesen hat.

Fassen wir zusammen: Die „Gala“ hat ein Interview einer französischen Filmzeitung mit Gérard Depardieu falsch verstanden, Dinge dazuerfunden und das ganze mit relevanten zufälligen weiteren Fakten verknüpft, von denen wenigstens eine auch wieder uminterpretiert wurde.

Der „STERN“ hat das dann abgeschrieben.

Im Internet.

Wo ja ein Link auf die „Gala“ schon gereicht hätte, um die „STERN“-LeserInnen zu informieren.

Oder direkt ein Link auf das ins Englische übersetzte Originalinterview.

Das hätte aber keine Page Impressions gebracht. Der „STERN“-Artikel wird nämlich garniert von nicht weniger als fünf AdSense-Werbeblöcken und einem Werbeblock von Ligatus.

Das ist unseriös? Ha! Der „SPIEGEL“ toppt das.

Am 19. September, einen Tag nach der Veröffentlichung des „Gala“-Artikels, zitiert er das Interview der „So Film“ mit exakt denselben hinzu phantasierten Alkoholika, die auch in der „Gala“ erwähnt werden. Die „Gala“ erwähnt der SPIEGEL jedoch nicht. Garniert mit einem immens breiten und fünf kleinen Flash-Werbebannern von Quality Channel und einem AdSense-Blöckchen.

„Nachrichtenmagazin“.

Ich höre bestimmt bald wieder mit dem Lachen auf.

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