Seit den ersten PEGIDA-Demos belegen amtliche und sonstige offizielle Zahlen auf beeindruckende Weise, dass gerade keine Islamisierung des Abendlandes stattfindet oder die Befürchtungen, die viele Menschen zu den Demos führen, in irgendeiner anderen Form berechtigt wären.
Tatsächlich sind Ängste immer irrational und können daher nur in wenigen Fällen weggeredet werden. Wer Angst vor dem Fliegen hat, der muss im Zweifel langsam an das Thema heran geführt werden.
Auf jeden Muslim in Sachsen kommen 40.000 Sachsen, die sich von ihm bedroht fühlen.
— Michael Bukowski (@mbukowski) 12. Dezember 2014
Einfache Zahlen und Statistiken, die zweifelsfrei belegen, dass mehr Menschen auf Autobahnen als bei Flugzeugabstürzen sterben (sowohl absolut als auch gemessen an der zurückgelegten Strecke), beseitigen die Angst oft nicht. Was sich bei den PEGIDA-Demos in der derzeit fehlenden Einsichtsfähigkeit der MitläuferInnen zeigt.
„Wir sind gegen Islamisierung aber keine Nazis!“ „Hier, Statistiken.“ „Nö.“ „Hier, Fakten.“ „Nö.“ „Dann nicht.“ „IHR NEHMT UNS NICHT ERNST!“ — Anna Aridzanjan (@textautomat) 16. Dezember 2014
Denn tatsächlich sind viele der zehntausenden von DemoteilnehmerInnen keine Nazis, sondern zu einem gewissen Teil Menschen, die sich durch ihre Ängste leiten lassen. Das ganze ist nichts anderes als Othering, ein soziologischer Begriff, der die Abgrenzung von Menschengruppen untereinander und ihre Wirkungen beschreibt:
Der als Othering beschriebene sozialpsychologische Mechanismus ist eine der Grundlagen für Diskriminierung von Minderheiten und von Verfeindungsprozessen zwischen verschiedenen Gruppen allgemein (z. B. ethnische Gruppen oder Religionsgemeinschaften).
Quelle: Wikipedia
Daher ist es im aktuellen Fall wirklich nicht unwichtig, die Ängste der Menschen zu betrachten und dann auszuräumen. Im ersten Schritt durch Zahlen und Fakten, im zweiten durch gezieltes Sichtbarmachen, dass sie unbegründet sind.
Dazu gehört zunächst eine Differenzierung: Der Islamische Staat (IS, ISIS), der gerade einen Gottesstaat errichten will und dabei ein Musterbeispiel des Othering liefert, ist nicht Der Islam:
Auch muslimische Gelehrte lehnen das IS-Kalifat ab und distanzierten sich in einem offenen Brief an den IS-Anführer al-Baghdadi von der Vorgehensweise seiner Organisation. Der Großmufti Saudi-Arabiens Abd al-Aziz bin Abdullah Al asch-Schaich nannte ISIS und al-Qaida „Feinde Nummer eins des Islams“. Selbst in einer Kriegssituation hätte kein Muslim das Recht, Zivilisten, Frauen und Kinder anzugreifen. (Wikipedia)
Jetzt ist IS aber gerade dauernd in den Medien und schürt daher Ängste vor einem religiösen Krieg. Extremisten aus westlichen Ländern wie den USA und Deutschland, die von einer Art Rebellenromantik angezogen werden und für den IS kämpfen wollen, machen das ganze auch zu einem innenpolitischen Thema.
Viele Menschen, mit denen ich in den letzten Wochen gesprochen habe, vermischen Fakten und Ängste, was mir zeigt, dass eine deutliche und konsequente Differenzierung erforderlich ist.
Besonders bei der Presse.
Nun blasen die PEGIDA-Veranstalter ins selbe Horn wie die Montagswahnwichtel, die die Presse für systemgesteurte Lügner halten. Das heißt: Wenn in der Presse belegt wird, dass es eben genau keine Islamisierung Deutschlands gibt, ist das eine Lüge, die das Großkapital von Rothschild & Co der Presse in die Feder diktiert.
Andererseits ziehen sowohl Montagswahnwichtel als auch PEGIDA-Anhänger passende Meldungen der großkapitalgesteuerten Systempresse als Beleg dafür heran, dass sie alles richtig machen.
Seit gestern bekomme ich immer wider Links auf einen Artikel der ZEIT zu sehen. Die ZEIT befragte YouGov mit einer repräsentativen Umfrage zum Thema PEGIDA.
In einer repräsentativen Umfrage von YouGov im Auftrag von ZEIT ONLINE gab knapp die Hälfte der Befragten (49 Prozent) an, Verständnis für diese Demonstrationen zu haben. 30 Prozent der Befragten antworteten, sie hätten „voll und ganz“ Verständnis für die Anliegen der Demonstranten. 19 Prozent antworteten mit „Eher ja“. Ablehnend äußerten sich insgesamt 23 Prozent.
„Die Hälfte der Deutschen steht hinter uns!“ schreiben PEGIDA-Menschen auf Twitter und in Kommentaren. Und als Beleg nahmen sie diese strunzblöde Umfrage.
Denn jede Umfrage ist nur so gut wie ihre Fragen. Und die Frage war:
Haben Sie Verständnis für Demonstrationen gegen den Islamischen Staat und die „Islamisierung des Abendlandes“ in Deutschen Städten?
Was für eine Bauernfängerei! Auf dem Foto zum Artikel sieht man eine PEGIDA-Demo, auf der ein Transparent gezeigt wird: „Gewaltfrei und vereint gegen Glaubenskriege auf deutschem Boden“. Tatsächlich wird auch im wenige Tage alten PEGIDA-Positionspapier (siehe Screenshot) der IS nicht erwähnt.
Natürlich sind vermutlich sogar weit mehr als 50% der Deutschen gegen den IS! Aber selbst, wenn PEGIDA mehr als nur in einem Nebensatz gegen den IS demonstrieren würde, wäre das belanglos, weil es in Deutschland eben keinen Religionskrieg gibt. Alleine, dass die beiden Fragen so in einen bei PEGIDA nicht vorhandenen Zusammenhang gepresst werden, ist schon ein grober handwerklicher Fehler – wenn nicht gar Vorsatz.
Genauso könnte man fragen „Sind Sie für eine Halbierung des Benzinpreises und einen weiteren Ausbau der Vorratsdatenspeicherung?“ um zu belegen, dass die VDS den meisten Menschen sogar recht ist.
Sorry, liebe ZEIT, um eine beängstigende Schlagzeile zu schaffen eine Frage so steuernd zu formulieren ist dieselbe brandstiftende Polemik, die auch in Parolen von PEGIDA enthalten ist.
Aber wer kritisch ist, wie PEGIDA, ist ja noch lange kein Nazi
"Wer kritisch ist, ist noch lange kein Nazi!", ein praktischer flow chart (von @VolkerK_ sauber umgesetzt, merci!): pic.twitter.com/logznGV7yB
— Ninette (@halbbluthobbit) 17. Dezember 2014
[…] schrieb ich was zum Thema und wurde prompt verlinkt. Da, bei Mama Notes, findet Ihr auch weitere Links zum […]