Als ich in die vierte Klasse kam, hatte ich in meiner Neugier schon eine Reihe technischer Geräte zerlegt und meist nicht wieder zusammen bekommen (was zum Glück niemand bemerkt hatte). Wie ein Phasenprüfer funktioniert war mir auch klar. Ich finde das normal und bin der Ansicht, dass wir alle wissen sollten, was „unter der Motorhaube“ unserer Technik passiert. Nicht im Detail, aber zu wissen, wie ein Elektrogerät im Innern aussieht und was da passiert, entzaubert.

Die Zehnjährige ist in der vierten Klasse und spielt zu Hause sehr viel mit Elektronik herum. Einige Unboxing-Videos von Überraschungseiern und Pannini-Bildern hat sie bereits gedreht, es fehlt ihr aber das Durchhaltevermögen, einen YouTube-Channel draus zu machen. Eben zeigte sie mir, dass sie auf ihrem Tablet eine Minecraft-App installiert und sich damit ein Haus mit Luxuspool und Garten gebaut hat.

Als das Thema „Strom“ in der Schule kam und sie Anschauungsgegenstände mitbringen sollte, gab ich ihr ein paar Kabel (NYM 5×2,5mm², ein paar cm CAT5 mit Stecker, Klingeldraht) und einige Werkzeuge (Dosenentmantelungswerkzeug, Multimeter, Phasenprüfer) mit.

Woraufhin die Lehrerin mich bat, den Kindern doch mal was über Elektrizität zu erzählen.

Material für die BastelstundeIch musste schon grinsen, denn ich hatte mir schon die ganze Zeit überlegt, wie ich mich anbieten könnte. Denn Stephan Noller hat bereits ein Materialset zusammegestellt und über Erfahrungen berichtet.

Sein Materialset gibt es inzwischen bei Tinkersoup als fertige Box zu kaufen. Vielleicht sollte der Inhalt noch getuned werden, dazu später mehr.

Das Set besteht aus einer Tüte LEDs in vier Farben (jeweils drei pro Farbe sind drin), einer Rolle mit 15m Kupferklebeband, etwas Kabel, ein Lautsprecher und eine Knopfzelle.

Ich hab das Set um einige Holz-Wäscheklamern, weitere Knopfzellen, einen Piezo-Summer und Batteriehalter für Mignon-Batterien (AA heißen sie international) ergänzt. Die Lehrerin besorgte noch Bastelpappe und Tesafilm. Stifte haben die Kinder immer dabei.

Dann war es so weit. An einem Dienstag in den zwei Stunden zwischen Religion und Sport war ich „dran“.

Zum Thema SteckdoseDa die Kinder auch noch was zu Steckdosen wissen wollten, hatte ich eine Bohrkrone, Unterputz-Dosen und eine Steckdose mit eingebauter Kindersicherung dabei. Aus eigener Erfahrung wollte ich die Kleinen mal probieren lassen, wie stabil so eine Unterputzdose ist. Davon abgesehen, dass Kabel kaputt gehen, wenn man an ihnen zieht, mögen Steckdosen es halt auch nicht, wenn man das Staubsaugerkabel aus 5m Entfernung aus Dose zieht.

Ich erklärte, wie die Dose in die Wand kommt (die Bohrkrone wurde bestaunt) und wie die eigentliche Steckdose in der UP-Dose festgekrallt ist. Die UP-Dosen ließ ich dann rumgehen und die Kinder durften sich überzeugen, dass es auch nur Plastik ist, das auch Zehnjährige problemlos und ohne Werkzeug kaputt bekommen. Dass eine Steckdose also super funktioniert und ihren Zweck erfüllt, wenn man nicht gerade am Kabel zerrt oder vor Wut dagegen tritt.

Die Zeit war recht knapp, aber die Kinder konnten noch Fragen stellen. Als es auf das Thema kam, fragte ich, ob sie den Unterschied zwischen Reihen- und Parallelschaltung schon kannten (ich wusste, dass es Freitag Thema war). Ein Mädchen hat den Unterschied vollkommen korrekt mit den einschlägigen Schaltzeichen an die Tafel gemalt.

Ich iieß eine alte Multi-IO-Karte eines ISA-PCs durch die Klasse gehen und die Kinder sahen die Kupferbahnen und die festgelöteten Bauteile. Ich erzählte, dass das schon von einem Roboter gelötet worden sei, dass die Kupferbahnen den Kabeln entsprechen, die sie bei ihren eigenen Schaltkreisexperimenten gebaut hatten.

Die Schule hatte nämlich schon Experimentierkästen zum Thema und der Lehrplan war auch umfangreich.

Aber.

Ich glaube, das Bild, das zum Thema als zentraler Lerninhalt an der Wand hing, zeigt schon, wie aktuell die Lehrpläne im Jahr 2015 so sind.glühbirne

Als Kind – so mit 10 – war ich zwar großer Fan von Günter Herburgers „Birne kann alles„, aber sie sterben ja gerade aus, die Birnen. Werden durch Energiesparlampen und LED ersetzt. Ich selbst hab nur noch zwei Birnen. Eine im Kühlschrank, weil sie noch nicht kaputt gegangen ist, und eine im Backofen, weil eine LED da schmelzen würden.

Daher haben die Kinder erstmal pro Gruppentisch eine Knopfzelle und eine LED bekommen, sie beschrieben mir den Unterschied zur Glühlampe und ich zeichnete eine LED an die Tafel, mit dem Kopf, in dem zwischen zwei Metallplatten, die den oberen Teil der Kontakte darstellen eine Art Kristall hängt, der leuchtet. Die unterschiedlich langen „Beine“.

Die Kinder sollten die LED zum Leuchten bringen und fanden kollektiv heraus, dass bei ihr die Polung im Gegensatz zur Glühbirne nicht egal ist. Zwei Minuten später war der Pluspol an der Tafel auch angezeichnet (es ist der längere Pol).

Die nächste Aufgabe war, sich ein Thema auszusuchen, das umgesetzt wird. Ampel und Feuerwehr- oder Polizeiwagen sowie Morsesender hatte ich mit der Lehrerin abgesprochen. Die Gruppe der Kleinen hat dann einen Baum mit bunter Girlande vorgeschlagen, was auch gut war. Leuchten oder Piepsen und ein Schalter aus einer Wäscheklammer waren Voraussetzung.

Leider konnten nur zwei Kinder überhaupt etwas mit „Morsesender“ anfangen, dieses Projekt wurde also nicht umgesetzt. Hätte ich schön gefunden.

In vier Gruppen bastelten die Kinder. Die, die gut zeichnen können, bereiteten auf der Bastelpappe das Bild vor, andere skizzierten auf einem Blatt Papier, wo die Leitungen aus dem Kupferklebeband (also der „Leiterbahn“) hin sollten, wo der Schalter ist und wie sie die LED damit leuchten lassen.

Einschließlich der Ampel und der Girlande mit ihren komlizierteren Schaltbildern waren übrigens alle Entwürfe korrekt.

Dann ging ich von Gruppe zu Gruppe und klebte mit den Kindern das Kupferklebeband. Man braucht übrigens keine Schere, um es zu teilen, es ist problemlos reissbar. Was auch gut ist, da die Hälfte der Scheren für das Band zu stumpf war.

Die Wäscheklammern klebten wir zuerst mit doppelseitigen Klebeband auf die Pappe und die Leiterbahn, die den unteren Teil des „Kontakts“ bilden sollte, klebte ich direkt vom Papier aus aufs Holz.

polizeiautoAuf der Oberseite klebte ich einen Streifen, der umgefalzt wurde und beim Zusammendrücken der Klammer den anderen „Kontakt“ berührte. Ein Kabel stellte die Verbindung zum Rest des Schaltkreises her. Die Knopfzelle lag mit dem Pluspol auf dem Kupferband und ein Stück Kabel verband den Minuspol mit der Leiterbahn. Alles, was nicht Kupferklebeband war, wurde mit Tesafilm befestigt.

girlandeAm Ende scheiterte die Fertigstellung der Girlande an einem Kurzschluss, den die Kinder versehentlich verursacht hatten, und die der Ampel an der Tatsache, dass drei Schalter dreimal so viel Arbeit machen, wie ein Schalter. Aber die Kinder stellten die Projekte a Mittwoch fertig.

Die Batteriefächer haben sich nicht bewährt. Was – wie mir in der Klasse siedendheiß einfiel – daran lag, dass die CR3032-Knopfzellen 3V haben und nicht 1,5. Aber die Knopfzellen waren weitaus weniger problematisch, als ich dachte.

Für den Materialsatz von Tinkersoup hab ich daher noch einige Verbesserungen:

  • Mindestens vier Knopfzellen
  • Ein Piezo-Summer statt des Lautsprechers

Während der Pause zwischen den Stunden kamen übrigens drei Kinder aus der Parallelklasse und holten den „das Material für Strom“ ab. Es war ein Kasten mit Batterien, alten, durchgebogenen Klingeldrahtstückchen und Glühbirnen. Die Kinder konnten damit Schaltkreise bauen, mussten am Ende der Stunde aber alles wieder zerlegen und ordentlich einräumen.

Toll ist das nicht. Die Kinder lernen viel besser, wenn sie verschiedene eigene Projekte machen und die Ergebnisse dann eine Weile in der Klasse hängen dürfen. Das Material im schuleigenen Kasten muss aber weitergegeben werden. Dafür ist es pädagogisch geprüft und von einem Fachverlag zusammengestellt. Vermutlich vor 20 Jahren und zu einem Preis, für den man 5 Jahrgänge der Schule mit dem erweiterten Tinkersoup-Material ausstatten könnte.

Und wir wollen ein Exportland für Technologien sein?

Es gibt noch viel zu tun. Fangen wir mit den Lehrplänen an.

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