Ich war eher der Sportloser. Bin in der Unterstufe am Kletterseil nicht über den Knoten am unteren Ende hinaus gekommen. Hing am Reck wie ein nasser Sack.
Vermitteln, dass man Kraft durch Training erwibt? Äh, ne.
„Streng Dich doch an!“ Das hilft leider nichts. Schlechte Sportnote, weil ich untrainiert war.
Aktuell hat Mama Arbeitet eine Petition gestartet, um die Bundesjugendspiele abzuschaffen. Kann ich nur unterstützen.
„Warum nicht auch Mathenoten?“ – „Wettbewerb spornt die Kinder an!“ – „Und als nächstes kommt ein selbstbestimmtes Nein zum Chemieunterricht?“
Wenn ich die Kritik an der Petition so lese, dann sind einige Schulen wirklich gut bei den Bundesjugenspielen und der sportlichen Motivation gewesen.
Aber nur einige halt.
Die Mehrzahl wird so gewesen sein, wie ich das erlebt hab: Huch, Bundesjugendspiele! Laufen machen wir im Sport, Kugelstoßen kam auch irgendwann mal dran. Weitsprung und der Kram auch. Warum sollten wir die Kinder gezielt darauf vorbereiten? Auf dem Lehrplan stehen gerade Handball und Basketball.
Und Schlagballweitwurf? Kommt. Das kann doch jeder.
Glaubt man. Werfen kann schwierig sein und besonders, wenn es in eine bestimmte Richtung und möglichst weit gehen sollte. Ich erinnere mich, dass es sowohl Mädchen als auch Jungen gab, die den Schlagball nur so mittelgut werfen konnten.
Er landete teilweise hinter ihnen.
Wir hatten bei jeder Disziplin einzelne Kinder, die kein annähernd wettbwerbstaugliches Ergebnis hatten und dringend eine Vorbereitung durch einen Sportlehrer oder Trainer gebraucht hätte.
Denn: Die Bundesjugendspiele Anfang der 80er hatten mit dem Sport und körperlicher Ertüchtigung nichts zu tun. Und ich bezweifle, dass sich das bis heute geändert hat.
Sportnoten waren damals in der Tendenz keine Noten, die einen Lernerfolg im Unterricht oder bei Hausaufgaben widerspiegelten, sondern Noten, die einen Zustand beschreiben. Ohne Hilfestellung zu geben, diesen Zustand zu verändern. Gezieltes Training? Eher nicht. Wie soll man auch Hausaufgaben im Reckturnen machen?
„Heute spielen wir Fußball“ hieß: Volker wird als letzter in eine Mannschaft gewählt, weil er Fußball nicht nur nicht mag, sondern auch ziemlich gar nicht kann. Die guten Noten dabei haben die Kinder Jungs unter sich ausgemacht, die eh im Verein spielten. Siehe auch Handball, Basketball, Leichtathletik.
Wer also aus den verschiedensten Gründen keinen Sport außerhalb der Schule getrieben hat und deshalb unsportlich war, wurde durch den Sportunterricht in vielen Fällen nicht dazu motiviert, Sport zu treiben, sondern eher darin bestärkt, dass Sport nichts für sie ist.
Und es gab und gibt viele Gründe gegen Sport. Während der Grundschulzeit wohnten wir so, dass Fußball und Leichtathletik und Eishockey möglich waren. Fußball und Leichtathletik sind gar nicht mein Ding. Eishockey durfte ich nicht ernsthaft ausprobieren, weil meine Mutter es für viel zu gefährlich hielt.
Nochmal: Gute Noten im Sport hatten nur die Kinder, die außerhalb der Schule Sport gemacht haben. Die Kritik an den Bundesjugendspielen als „Warum nicht auch Mathenoten abschaffen“ abzutun übersieht das. Als gäbe es auch Matheclubs oder Deutschvereine.
Dann kam die Mittelstufe und wir hatten den ganzen Sommer lang im schuleigenen Bootshaus Sportunterricht: Rudern.
Das war mein Glück, da es mir Spaß gemacht hat und der schuleigene Ruderverein auch nachmittags und am Wochenende Training hatte. Der Ruderverein wurde mein Jugendclub. War toll da. Von mir aus hätte ich nicht versucht, mit dem Rudern anzufangen, weil ich schon seit der Grundschule überzeugt war, dass ich nicht sportlich genug für sowas bin.
In der 10. Klasse waren dann die Bundesjugendspiele und ich hatte plötzlich eine Siegerurkunde in der Hand mit mehr Punkten drauf, als einige der Leistungshandballer und Leistungsfußballer meiner Klasse. Das Bild, dass einige der sportlichen Mitschüler von mir hatten, äußerte sich in Sprüchen wie „Biste schnell genug gestolpert, was?“ und „Wie? Warum hast Du denn mehr Punkte als ich?“
Und ich fand mich kurz darauf in einer Regattamannschaft des Vereins wieder und trat im Vierer in den Landesmeisterschaften und im Hoffnungslauf Jugend trainiert für Olympia an.
Das war aber Zufall und zeigt, wie ungerecht das mit dem Sportunterricht und den Bundesjugendspielen ist. Am Nachbargymnasium gab es nämlich keinen Ruderverein. Wäre ich dort gelandet und nicht an meiner Schule, hätte ich bei den Bundesjugendspielen nur die Teilnehmerurkunde für erfolgreiches Sportsachen-Anziehen bekommen.
Weil „Sport“ sehr viel damit zu tun hat, dass man eine Sportart findet, die der eigenen körperlichen Konstitution (Eher Ausdauer oder Kraft? Eher Geschick oder Wettkampf mit direktem Feindkontakt?) entspricht und für die man brennt. Findet man die nicht ist Sport eine Quälerei.
Es gibt sogar Leute, die auf Weltniveau Tischtennis spielen, und nicht in der Lage sind, an den Ringen die Füße ordentlich vom Boden zu bekommen. Aber im Schulunterricht wurde – zumindest zu meiner Zeit – das Turnen an den Ringen bewertet, nicht der Spin beim Aufschlag oder die Abwehr eines Schmetterballs.
Sportunterricht war damals – und ist heute – zwar ein wichtiger Ausgleich für das viele Rumsitzen in den Klassenräumen, aber eben nichts, was benotet werden und gleichwertig mit Mathe, Physik oder Deutsch ins Zeugnis einfließen sollte. Denn die Note dokumentiert – bis heute – zum allergrößten Teil einen Zustand, ohne dass die Schulen mehr als Tipps geben können, wie man ihn verändert.
Und selbst das blieben sie zu meiner Zeit schuldig.
Deshalb gehören auch die Bundesjugendspiele els wertender und einstufender Wettkampf überall hin, nur nicht als Pflichtveranstaltung in die Schulen.
Zur Petition geht es hier entlang.
Update:
Frau Ziefle sieht das so ähnlich und Kiki auch.
[…] (1) ja, ich habe die schlimmem Wörter entschärft, und ja, ich ahne, dass es vielleicht ein oder zwei nette Sportlehrer*innen gibt. Die sollen sich bitte melden ja? (2) ich war während der beschriebenen Alternativphase jeden Tag im Fußballtor, jeden Tag, und ich war im Leichtathlektiverein, nachdem ich vier bayerische Jahre lang „unsportlich“, „dumm“, „faul“, „unbeholfen“ gewesen war. Und meine Sportlehrkraft in Mathe hatte. Man kann sich die Noten dort vorstellen. (3) andere Menschen sagen auch was zum Thema: z.B. Kiki (4) oder auch Volker […]
[…] Sportunterricht. […]
Interessant.
Rudern war auch für mich die einzig vorstellbare Sportart
Leider nicht möglich.
Trotzdem ist der vorliegende Beitrag natürlich Unsinn.
Vereinsäquivalente für Mathe und Deutsch gibt es nämlich sehr wohl, nennt sich „Pappa und Mamma“.
In der Schule wird grundsätzlich kein Interesse geweckt, sondern ausschließlich demotiviert.
Meine akademische Laufbahn führte genau bis zu dem Punkt, den der soziale Status meiner Eltern erwarten ließ; und so war das nach meiner Kenntnis bei, ALLEN (Sic!) Mitschülern!
Es gibt weder intelligente Förderprogramme für langsame Kinder, noch für Schnelle.