Es mag am Phänomen der Filterblase liegen, dass man manchmal in Twitter-Diskussionen förmlich von Accounts überrollt wird, die man zuvor nie bemerkt hatte. Sie haben alle eine andere Meinung und tun dies über die Replyfunktion kund.
Auf diese Weise sind sie in den Antworten zu Deinen Tweets auch zu sehen, man antwortet ihnen und sie belegen durch ihre Anzahl, dass es sehr viele Menschen gibt, die nicht Deiner Meinung sind.
Sie antworten einander, werfen sich den Ball zu, verwickeln Dich in eine Diskussion, in der du die Minderheitsmeinung hast.
Das dubiose Auftauchen dieser Accounts liegt nach meinen Beobachtungen in letzter Zeit aber nicht nur an der Filterbubble. Bevor ich auf Zeug von mir unbekannten Accounts antworte, schaue ich meist auf ihr Profil, um nicht versehentlich Ironie zu übersehen, und mal zu gucken, wer das eigentlich ist.
Im letzten Jahr fiel mir dabei immer öfter auf, dass die Accounts, die sich in Diskussionen unter Tweets von Medien und Tageszeitungen oder auch von linken Aktivisten einmischen, mit erschreckender Wahrscheinlichkeit nur 50 oder noch deutlich weniger Follower haben.
Mit 50 Followern hat man faktisch keine Reichweite. Lediglich, wenn ein „größerer“ Account in einer Diskussion auf einen Tweet eingeht oder ihn gar retweetet, also selber teilt, wird man schnell Aufmerksamkeit erhalten.
Ein ähnliches Phänomen gab es nach den Krawallen in Hamburg. Schaut man auf die „Danke Polizei“-Lobspender, finden sich auch dort größere Mengen an Accounts, die man vorher noch nie bemerkt hat.
Eine bemerkenswert hohe Anzahl von „danke @PolizeiHamburg„-Twitterern hat eine bemerkenswert niedrige Anzahl von Tweets und Followern pic.twitter.com/d6bcbGCNlQ
— kantorkel (@kantorkel) 11. Juli 2017
Das mag noch wie ein Zufall wirken, aber @kantorkel hat später professionell visualisiert, wieviele Follower und Tweets die Accounts haben, die der Polizei dankten:
274 Tweets mit „danke to:@PolizeiHamburg“ seit 9.7. 16:22 Uhr
59 Tweeter mit 0 Followern, weitere 73 mit <=5 Follower pic.twitter.com/1DT4we1mFl— kantorkel (@kantorkel) 12. Juli 2017
50 Follower sind nun in der Tat wenig, der statistisch gesehen durchschnittliche Twitterer ist eine US-amerikanische Frau mit einem iPhone und 208 Followern.
Ich sehe hier eine Tendenz. Entweder sind „rechte Stammtschkrieger“ auf Twitter gekommen und randalieren mit ihren Meinungen nun hier herum statt nach ein paar Bier in der Stammkneipe, oder es ist möglicherweise eine Reihe von meist AfD-nahen Personen, die mit Sockenpuppen nicht nur ihre Reichweite erhöhen, sondern durch die scheinbar große Zahl an zustimmenden Meinungen auch die Relevanz.
Vermutlich können Datenanalysten das genauer beleuchten. Für den Moment kann ich dazu allen anderen nur ein paar Dinge ans Herz legen:
- Wenn ein/e Twitter/in mit mehr als 1000 Followern plötzlich Replies von Accounts <50 Followern bekommt, die eine andere als ihre Meinung vertreten: Vorsicht
- Accounts dieser Art mit <50 Followern, überwiegend Replies an andersmeindende, antwortet man besser nicht, denn das wollen sie, um von Deinen Followern bemerkt zu werden.
- Auch ein Zitat-Retweet mit „Mal wieder ein besorgter Bürger“ ist für sie Reichweite und ein kleiner Sieg
- Bezieht man sich auf sie, dann am besten per Screenshot, wenn die Zeit reicht mit unkenntlich gemachtem Accountnamen.
- Vielleicht blockiert man diese Accounts auch, um ihnen die Mentions zu erschweren und ein eigenes, versehentliches Eingehen auf ihre Tweets zu verhindern.
Ich habe das auch bemerkt; das Phänomän tritt meinen Beobachtungen nach gehäuft auf, seit Twitter vor einigen Monaten die Replies und den Darstellungsalgorithmus einmal mehr überarbeitet hat. Jetzt nimmt man bei einer Antwort plötzlich standardmäßig jeden mit, der einen Tweet retweeted oder beantwortet hat. Man kann das umständlich fallweise ausschalten, aber Fakt ist: Der Lärmteppich ist dichter geworden. Ich flehe manchmal noch darum, aus für mich uninteressanten Konversationen herausgenommen zu werden, aber niemand weiß, wie das geht und es interessiert auch kaum jemanden, da es mit Mehrarbeit verbunden ist. Für kleinere Accounts ist es in der Tat eine Möglichkeit, etwas mehr Bekanntheit zu bekommen und tatsächlich bin ich darüber auch schon auf einige interessante Neulinge gestoßen, aber es wird natürlich von Bots und der „dunklen Seite“ gnadenlos ausgenutzt.
Ich bin inzwischen dazu übergegangen, mich nervende Accounts direkt zu blocken, ich warne auch nicht mehr vor. Wahrscheinlich bringe ich mich damit um viele schöne Accountentdeckungen, wahrscheinlicher aber spare ich mir supernervige Replies und helfe, die Flut etwas einzudämmen. Es ist nicht übrigens nur die braune Flut, ich sehe das auch auf der rotschwarzen Seite und von Team Pink sowieso … das politische Twitter ist vollkommen unerträglich geworden.
Seit man die Replies der anderen sieht ist mir aufgefallen, dass nicht nur ich diese Pest am Hals hab.
Seit letztem Jahr hatte ich immer wieder Wölkchen von solchen Accounts, die sich bei einschlägigen Themen zu Wort melden. Selten zweimal derselbe Account, aber halt immer in Wolken von Leuten, die recht routiniert dan Ball hin und her spielen, meistens im Schlepptau eines Accounts mit recht vielen Followern.
Insgesamt sind sie nicht allzu beleidigend, weit weg von Sifftwitter, und wenn man sie mal auf das Liefern von Belegen festnagelt, kommt meistens einschlägiger Quatsch von RT und Epoch Times und so.
Von anderen Ecken als braun/AfD hab ich das noch nicht erlebt, mit denen diskutier ich aber auch nur selten.
Leute die „Danke Polizei“-Twittern sind „rechte Stammtischkrieger“? Ernsthaft? Vielleicht auch nur Schanzenbewohner deren Auto verschont wurde.
Möglicherweise haben auch (wer weiß, wie viele) Schanzenbewohner sich trotz brennender Autos beschützt gefühlt. Aber auffallend unter den vielen Danksagenden sind die Accounts <50 Follower.
Ich würde eher vermuten dass gerade ein Thema wie die Ereignisse beim G20-Gipfel eine hohe Zahl an „Lurkern“ aktiviert, die Twitter im Normalfall kaum oder zumindest eher nur zum Lesen verwenden. Und daher dann natürlich auch keine Follower haben.
Mein eigener Twitter-Account sieht genauso aus. Ich nutze Twitter halt nur fast nur zum Konsum bzw. um mich zu informieren, seltenst zu diskutieren. Aber ab und an (zB bei bestimmten Sport-Events) schreibe oder diskutiere ich dann vielleicht doch mal was – ungeachtet der Tatsache dass ich damit faktisch keine Reichweite habe (na und? Ich tweete dann btw auch nicht um Aufmerksamkeit zu erhalten, sondern einfach weil ich Aussage xy halt gerade loswerden wollte). Da können aber auch mal Wochen dazwischen liegen.
Ein Statement wie „Danke Polizei“ passt imo perfekt zu Leuten, die sonst eher nicht so aktiv sind, aber sich hier ausnahmsweise doch mal äußern, weil es eine andere Ebene ist als das sonstige Twitter-Tagesgeschehen.
Dieser ganze post wirkt im Übrigen ziemlich despektierlich gegenüber „kleinen Accounts“.
Welchen Sinn hat es denn, Twitter-Accounts nach der Anzahl ihrer Follower einzuordnen? Man muß doch niemandem folgen, um dessen Tweets zu lesen.
Ich lese auch öfters bei Twitter, und dafür rufe ich die Seiten von denjenigen, deren Tweets ich lesen möchte, direkt auf. Wenn ich das über die Folgen-Funktion machen würde, dann müsste ich mich ja jedesmal erst bei Twitter einloggen. Und außerdem würde ich dann alle Tweets durcheinander sehen und nicht einzeln pro Person.
Einloggen muß ich mich bei Twitter doch erst dann, wenn ich selbst etwas posten will, und nicht schon beim bloßen Lesen.
Ich folge niemanden auf Twitter. Wer mir auf Twitter folgen will, der soll das meinetwegen tun, aber notwendig ist das nicht. Meine Tweets sind öffentlich, die kann man auch lesen, ohne mir zu folgen.
Es lesen auch Menschen meine Postings im Usenet, ohne sich dafür bei mir zu melden. Und auch zu meinen Webseiten habe ich keinen Überblick, wer die ansurft. Warum soll ich dann bei Twitter davon ausgehen, daß jeder, der meine Beiträge lesen will, mir auch folgt?
[…] Reichweitenschnorrer, Replysurfer, Sockenpuppen? von Volker. […]
Das Phänomen, dass Rechte versuchen, durch massenhafte Kommentare Andersdenkende zum Verstummen zu bringen, ist mir auch schon begegnet. Sie schaukeln sich gegenseitig hoch und rechtfertigen sich über die Menge an Kommentaren.
Ich denke aber nicht, dass man sie an ihrer Anzahl an followern erkennen kann. Der verlinkte Artikel, laut dem der Durschnittsaccount 208 follower hat, schreibt auch, dass vier fünftel aller Accounts weniger als 50 follower haben. Der erhöhte Durschnittswert kommt also durch eine Minderheit mit sehr vielen followern zustande und ist nicht aussagekräftig für die Mehrheit.