Eigentlich willst Du nur die Schlagzeilen lesen, wissen, was Trump angestellt hat, während Du schliefst, oder nur die Fußballergebnisse sehen. Und doch war da diese Headline, dieser Aufmacher eines Artikels, den du klicken musstest, um dann schmerzhaft festzustellen, dass Du wieder einmal darauf hereingefallen bist:
Klickbaiting.
Es ist uns allen schon einmal passiert, und das nicht erst seit heftig.co seinen legendären Lauf hatte. Und die Boulevardisierung der (online) Presse führt dazu, dass immer mehr exseriöse Medien so arbeiten.
Emotionsgeladene Headlines und Aufmacher, die mehr Fragen stellen als sie beantworten und uns die Neugier nach Geheimnissen unter den Nägeln brennen lassen.
Gerade bei B-Promis, also denen, die Prominent sind, weil sie sich öffentlich entblößen, ist das gerne gesehen.
„Wird ihre Liebe das überstehen?“ bedeutet im Zweifel, dass sie sich über die Farbe des neuen Autos nicht einig sind. Also total übergeigt und irreführend, was man aber erst erfährt, wenn man geklickt hat.
Selbst die von Carmen Geiss persönlich bestätigte Trennung ist natürlich nicht die die von ihrem Rooobääät, sondern die Trennung einer mir namentlich unbekannten DSDS-Teilnehmerin von irgendwem.
Solche Schlagzeilen spielen mit Mitgefühl und Häme, die ja nur zwei Seiten derselben Medaille sind.
Sex sells sowieso, da muss man nicht einmal prominent sein. Zwei Frauen werden bei einem Dreier schwanger – Mann neidet es dem werdenden Vater – und jetzt wollen die Frauen heiraten. Beide ihn? Oder die Frauen einander?
Ein wahres Rätsel, das uns den ganzen Tag über verfolgen würde, wenn wir es jetzt nicht sofort (SO! FORT!) anklicken und insgeheim hoffen, dass dabei auch Material für das Kopfkino abfällt, in dem wir uns den Dreier vorstellen.
Auf alle Fälle muss die Headline Fragen über die intimsten Belange anderer Menschen aufwerfen, die man sich noch nie selber gestellt hat, und nach dem Klick Antworten versprechen. Dafür ist sich auch SPIEGEL ONLINE nicht zu schade:
Aber auch Life Hacks (was man früher als Trick 17 bezeichnete) können Klicks generieren, wenn sie nur rätselhaft genug sind.
Energie sparen? Komischer Trick? Ein Perpetuum Mobile? Skalarwellen? Heilung aller Krebsarten? Abnehmen mit bislang geheimen Früchte? Freie Energie? Bitte den Abzweig zu Hohl- und Flacherdetheorien beachten. Wissen die wenigsten! Das Bild hat dabei meistens gar nichts mit der Meldung zu tun, sondern soll nur Fragen aufwerfen.
Diese Text-Bild-Schere dient dazu, den letzten, unentschlossenen Menschen zum Klicken zu bewegen.
Wir können von Stars schreiben, denen die Zeit nicht wohlgesonnen war, und montieren ihr Jugendfoto neben, beispielsweise, das Bild eines toten Kaninchens. Oder lassen das Jugendfoto einfach ganz weg, das tote Kaninchen reicht auch.
Bei Evergreens wie „Macauley Culkin: Was ist nur mit ihm passiert?“ oder „So sieht Mariah Carey ohne Make-Up aus“ spielt selbst das überfahrene Tier auf dem Foto inzwischen keine Rolle mehr, so viele Menschen klicken da aus Schadenfreude schon drauf.
Auch Wiederholungen, so hat uns das Fernsehen konditioniert, funktionieren.
Hast Du Dich schonmal gefragt, warum Stewardessen, während sie die Fluggste begrüßen, wenigstens eine Hand hinter dem Rücken halten? Nein? Ich auch nicht.
Aber es scheint ja Brisanz zu haben. Geben Sie dem Captain codierte Zeichen? Halten sie dort einen Knüppel bereit? Frage über Fragen, die Rafi Moser im August 2016 im LikeMag aufwarf.
Und dann noch einmal im Mai 2017. Wobei er gleich zwei Kniffe anwendete: GROSSBUCHSTABEN, um zu betonen, dass er ein Rätsel auflösen will, und mit dem Adjektiv „ungewöhnlich“ schürte die Hoffnung, etwas zu finden, das nicht so banal ist, wie der Klickzähler, den wir damals beim Ferienjob als Verkehrszähler schon hatten.
Und danach griff Businessinsider das schmutzige Geheimnis der Flugbegleiterinnen auf. Und das Klickgrab Nachrichtenmagazin Tag24. Und die HuffingtonPost. Und das Magazin für Angewandte Quellenprüfung namens STERN. Und das Thema ist offenbar noch immer nicht ausgelutscht genug, um nicht alle drei Wochen doch wieder irgendwo aufzutauchen.
Was braucht man also für erfolgreiches Klickbaiting?
- Ein Thema, das die Neugier, besonders aber die Schadenfreude der LeserInnen anspricht. Ideal sind: Promis, Abnehmen, Krankheiten, Geld verdienen oder sparen, Sex. Besonders in Kombination: Promi spart Geld, Abnehmen durch Sex, Gesund werden durch Geld verdienen.
- Eine Schlagzeile, die neugierig macht und Emotionen anspricht: „Komischer alter Trick“, „ungewöhnliche Methode“, „aufgedecktes Geheimnis“. Einen Frage aufwirft, aber keine Antwort gibt. Sie muss nur oberflächlich etwas mit dem Thema des Artikels zu tun haben.
- Idealerweise eine schmerzhafte Text-Bild-Schere. Das Internet ist ein visuelles Medium. Unser Kopfkino steuert das Klicken mit. Carmen Geiss bestätigt Trennung (das ist das Promi-Schadenfreude-Thema) und auf dem Bild steht sie lachend neben einer Frau? Check, Thema „Sex“ mit abgedeckt. Oder ein Bild, das eine Assoziation hervorruft, bei der man nicht wegschauen kann. Wie bei einem Verkehrsunfall. Das ist schon fast eine Klick-Garantie.
Dann klappt es auch mit dem Traffic auf der Website.
[…] Volker stellt vor: AS ist die ungewöhnliche Methode, mit nur 3 Schritten mehr KLICKS zu bekommen. […]
Und was ist nun mit dem Dreier? Wer heiratet was?
[…] hab ich ja schonmal über Klickmagnete geschrieben. Also diese Klickbaiter, die Webseiten, die von Werbeeinnahmen leben, die sie erzielen weil ihre Überschriften zum […]