Die „Parteienlandschaft“ hat sich in den letzten paar Jahren massiv verändert. Während neulich noch NPD-Mitglieder in Landtagen saßen, ist diese Partei so tief in der Bedeutungslosigkeit versunken, dass man sie nicht einmal verbieten kann. Dafür hat die AfD zweistellige Ergebnis und die SPD in machen Landtagen Sichtkontakt zur 5%-Hürde.
Das alles beunruhigt viele Menschen (beispielsweise mich).
Aber was können wir machen? So diskutierten auch Toby Baier und Holger Klein im WRINT Realitätsabgleich „WR735 Born a Bass„, wie man denn selber Politik machen könnte.
Kann man einfach so ein eine Partei eintreten und mitspielen? Oder muss man sich da jahrelang hochschlafdienen? Da gibt es doch bestimmt Seilschaften, gegen die man ankämpfen muss. Und was ist eigentlich besser – Lokalpolitik oder direkt auf die Bundesebene?
Solche Fragen lese ich in letzter Zeit immer wieder. Daher möchte ich sie beantworten und mit eigenen Erfahrungen und Beobachtungen würzen.
Zuerst fragt Euch bitte, was Ihr verändern wollt.
Liegt Euch etwas an Eurer Gemeinde? Dem Stadtteil? Wollt Ihr den örtlichen Sportvereinen helfen? Die Sorgen der NachbarInnen zu Eurer Aufgabe machen?
Dann wäre Kommunalpolitik Euer Feld.
Wenn es um leicht erreichbare überregionale Themen geht und schon um Gesetzgebung, dann ist möglicherweise die Landespolitik Euer Ziel. Die Länder haben in vielen Bereichen eigene Gesetze im Rahmen der Konkurrierenden Gesetzgebung. Polizei – und damit innere Sicherheit – ist Ländersache. Das gilt auch für Bildung und Kultur, neue Lehrpläne, Inklusion oder kleinere Schulklassen könnt Ihr nur auf Landesebene durchsetzen.
Die Länder sind außerdem die organisatorischen Teile der Bundesrepublik, denen der Bund gerne Aufgaben aufdrückt. Man setzt also Bundespolitik durch, und auch da haben die Länder einen gewissen Gestaltungsspielraum.
Oder wollt Ihr in den ganz großen Zirkus? Ist Euer Ziel die Abschaffung der Bundeswehr, eine Reform des Strafgesetzbuches oder die Außenpolitik? Was spricht dann gegen Bundespolitik?
Die Frage in allen Fällen ist, wie man „rein“ kommt.
Am einfachsten ist es in der Kommune. Die Parteien unterscheiden sich da nicht wirklich, da kommunale Probleme meist alle gleich betreffen, besonders, wenn Euer Ort klein ist. Das heißt nicht, dass es nicht auch Streit gibt. Die Windkraftanlage am Stadtrand ist für CDU-PolitikerInnen immer ein Dorn im Auge, während die GRÜNEN gerne mehr davon hätten.
Aber auch Kinder aus CDU-Familien gehen in Schule und Kita oder sind Mitglied im Sportverein und oft kann man sich hinter den Kulissen überparteilich einigen und wirklich etwas bewegen.
Je kleiner die Partei ist um so weniger Personal kann sie in die Fraktionsarbeit schicken. Vier GRÜNE Ratsmitglieder müssen dieselbe Zahl an Ausschüssen besetzen, wie 40 CDU-Mitglieder. Daher freuen sich kleine Parteien über Mitglieder, die sich engagieren und, auch ohne in den Rat gewählt zu sein, als Sachkundige BürgerInnen (so heißen sie in NRW) in Ausschüssen mitzuarbeiten und dort aktive Politik zu machen.
Welcher Partei schließe ich mich jetzt aber an?
Wen es wirklich nur um Kommunalpolitik geht, dann lest Euch in den örtlichen Ratssitzungsdienst ein. Die Protokolle der Ratssitzungen sind fast überall im Internet nachzulesen. Anhand der Mitschriften könnt Ihr von den überhaupt in Frage kommenden Parteien diejenige auswählen, die Euch inhaltlich am nächsten kommt und zugleich klein genug ist, um Euch schnell in der Praxis mitwirken zu lassen.
Sprich: FDP, GRÜNE, Die LINKE oder lokale Wählergemeinschaften.
Aber auch große Parteien brauchen zuverlässige MitarbeiterInnen in der Fraktion, die hinter den Kulissen arbeiten und Kontakte zur örtlichen Vereinsszene oder anderen gesellschaftlichen Gruppen mitbringen.
Oder lieber Landespolitik?
Landespolitik ist etwas schwieriger. Nach meiner Beobachtung ist es bei den GRÜNEN noch am einfachsten, was daran liegt, dass es eine kleine und diskursstarke Partei ist. Daher gilt das nun Folgende insbesondere für die GRÜNEN.
Ist man dort Mitglied, kann man in der Landesgeschäftsstelle nachfragen oder im Internet nachgucken, zu welchen Themen es LAGen (Landesarbeitsgemeinschaften) gibt. Die Termine der LAG-Sitzungen werden meist öffentlich bekannt gegeben oder man kann sie per Mail von der LAG-SprecherIn erhalten (LAG-SprecherInnen sind sowas wie in anderen Parteien LAG-Vorsitzende).
LAGen sind immer froh, Menschen zu finden, die sich ernsthaft und zuverlässig einbringen. Ich war selber einige Jahre Sprecher einer LAG der NRW-GRÜNEN und am Ende fanden sich zwar reichlich Menschen, die mit diskutierten, aber das Schreiben des Sitzungsprotokolls blieb an einer pensionierten Lehrerin und mir hängen. Was doof war, weil die parteiinterne Kommunikation auch von uns gemacht wurde.
Dafür sind LAGen berechtigt, auf der Landesdelegiertenkonferenz (LDK, heißt woanders Landesparteitag) SprecherInnen in die Bütt zu schicken und Anträge zu stellen. Abstimmen dürfen die LAGen auf der LDK jedoch nicht, das dürfen nur die aus den Orts- und Kreisverbänden entsandten Delegierten.
Als LAG ist man also berechtigt, sich auch inhaltlich ins Parteiprogramm der Landtagswahl einzubringen, sofern man dafür eine Mehrheit bei den Delegierten findet. Und es ist eine relativ einfache Methode, sich unter den LandespolitikerInnen einen Namen zu machen, wenn man etwas konsensfähiges zu sagen hat. Aus einer LAG heraus als Listenkandidat oder in einem Parteigremium Karriere zu machen ist nicht selten.
Ähnliche Strukturen finden sich auch bei anderen Parteien, jedoch eher weniger partizipativ als bei den GRÜNEN.
Allerdings halte ich die Kalkülentscheidung, in welche Partei man eintritt, hier nicht unbedingt für gut. Landespolitik ist was anderes als der Stadtrat. Wenn man bei Wahlen stehts zwischen zwei Parteien – beispielsweise der SPD und den GRÜNEN – steht, dann kann man durchaus in die kleinere Partei eintreten, weil die eigene Stimme dort mehr Gewicht hat.
Hängt man aber mit dem Herzen an SPD oder CDU ist der kleinere Koalitionspartner vielleicht keine Option – aber das muss man immer selber entscheiden.
Landespolitik ist nun ein erforderliches Sprungbrett zur Bundespolitik. Denn die Bundesarbeitsgemeinschaften (BAGen), die nicht zu 100% thematisch deckungsgleich mit den LAGen sind, bestehen aus Parteimitgliedern, die von den LAGen entsandt werden.
Hier ist also eine Art des „Hocharbeitens“ erforderlich.
Alternativ gibt es parteinahe Organisationen, die sich bestimmten Themen wie „Netzpolitik“ verschrieben haben. Tritt man ihnen parallel zur Partei bei, kann man auch relativ einfach in Kontakt mit Landes- und BundespolitikerInnen kommen und sich durch diese „informellen Arbeitsgemeinschaften“ ins Spiel einbringen.
Jetzt ist es so, dass eine Partei immer bestimmte Grundüberzeugungen braucht, aber aktive Politik nur dann möglich ist, wenn der Parteidiskurs im Rahmen dieser Leitplanken überhaupt möglich ist und auch vom bisherigen Kurs abweichende Diskursergebnisse akzeptiert werden.
Am diskursfähigsten sind die Piraten, wo es für und gegen ungefähr alles Arbeitsgemeinschaften gibt. Dabei sind Themen wie „Ausstieg aus der Atomenergie“ meinem Empfinden nach von so grundlegender Bedeutung, dass man nicht auf jedem blöden Parteitag Diskussionen über diametral abweichende Anträge der „LAG Atomausstieg“ und der „LAG Umweltschutz Durch Kernkraft“ diskutieren will.
Bei den Grünen in NRW gibt es in allen Politikbereichen solche Grundüberzeugungen, und dennoch sind sie eine diskursstarke Partei, was man beispielsweise an der LAG Säkulare Grüne und der LAG Christ*innen in NRW sieht. Erstere hieß früher „LAG Trennung von Staat und Kirche“ und war im Dauerclinch mit den „Christ*innen“, inzwischen arbeiten sie recht konstruktiv zusammen.
Wer also aktiv und nicht nur durch Kreuze auf Stimmzetteln oder Mitgliedsbeiträge zu Parteien an der Politik mitwirken will, der kann nicht sagen, dass er es nicht könnte.
Und jetzt los, bringt Euch ein.
Offenlegung: Ich bin seit rund 20 Jahren Mitglied der GRÜNEN, war Sachkundiger Bürger im Abwasserausschuss der Stadt Tönisvorst und einige Jahre Sprecher der LAG Tierrechte.