Schon Helmut Schmidt wollte die gesamte Bundesrepublik mit Glasfaserleitungen versorgen, doch dann kam Kohl. Immerhin haben wir heute einen starken Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt, was die Preise und Leistungen durchaus verbessert hat, aber eben nicht an Glasfaser heran kommt und daher immer öfter an technische Grenzen stößt.

Schon als kleiner Junge war ich Fan von Star Trek, was damals noch Raumschiff Enterprise hieß. Technik hat mich immer fasziniert, und die Funkgeräte oder auch das „Headset“ von Lt. Uhura führten bei mir zu riesigen Augen:

Was sind da bloß für Batterien drin? Die müssen doch nach ner halben Stunde leer sein! Und die Antennen!

Heute haben wir Smartphones, auf denen man einen C64 emulieren kann, der wiederum den Bordrechner der Apollo-Missionen aus den späten 1960er simuliert. Und drahtlos telefonieren können wir damit gleichzeitig auch noch.

Während ich 1985 noch mit dem C64 und einem selbstgebauten Akustikoppler mit 300 bps online war, habe ich heute schon drahtlos Übertragungsraten, die seinerzeit in lokalen Firmennetzen technisch nicht möglich waren.

Dass ich heute ein schmales Armband trage, das nicht nur meine Armbanduhr ersetzt, sondern auch noch meine Schritte zählt und den Puls misst und mich über Benachrichtigungen auf meinem Smartphone informiert, hätte ich vor 20 Jahren nicht geträumt. Wie auch, die Hälfte der Kommunikationsmittel, deren Benachrichtigungen ich meine, gab es damals noch gar nicht.

Was wird in 20 Jahren möglich sein?

12K 3D-Fernsehen? 360°-Videokonferenzen? Ferndiagnosen des Hausarztes per Video-Talk mit frei verkäuflicher, standardisierter Diagnosebox im eigenen Haus zum Beispiel? Das nennt sich Telemedizin, und im ländlichen Bereich wird das schon heute in Angriff genommen.

Jetzt wohne ich auf dem Land. Unser Internet kommt per TV-Kabel, weil die Telekom im flächenmäßig größten Teil des Ortes an eine peinliche technische Grenze stößt.

Verfügbarkeit von Internet per TV-Kabel und DSL 50 MBit (Karte (c) Google Maps)

Verfügbarkeit von Internet per TV-Kabel und DSL 50 MBit (Karte (c) Google Maps)

Halbwegs schnelles Internet von der Telekom gibt es im grünen Innenbereich, der gesamte Rest der wird mit „bis zu 16 MBit“ angebunden.

TV-Kabel gibts leider auch nur im gelb markierten Teil des zentralen Orts

In den Stadtteilen Kehn (rechts) und Hecke (links oben) liegen nur die dünnen Kupferadern der Telekom, und die sind zu weit vom DSLAM entfernt, um auf irgendeine Weise zeitgemäße (ab 50 MBit) oder gar zukunftstaugliche Bandbreiten (ab 100 MBit) zu liefern. Das gleiche gilt für die z.B. rechts oben über Huverheide verteilten Bauernhöfe.

Selbst im Kern des Ortes liefert die Telekom (und damit auch ihre Mitbewerber auf Telefonleitungen) maximal 50 MBit. Die genauen Grenzen des Bereichs kenne ich nicht, das, was ich eingezeichnet habe, basiert auf stichprobenartigen Verfügbarkeitsabfragen auf der Telekom-Homepage vom 25.2.2018.

Außerhalb der eingezeichneten DSL 50-Region werden also per DSL „bis zu 16 MBit“ geliefert.

Und das ist ein Witz.

„Bis zu 16 Megabit“ sind nämlich nicht zukunftstauglich. Zwar reichen für Streamen über Netflix in HD nach deren Auskunft 5 MBit, die Telekom selber rechnet: „bei der Nutzung von Entertain wird die für Internetdienste zur Verfügung stehende Bandbreite im Downstream reduziert, und zwar je SD-TV-Kanal um ca. 4,5 MBit/s und je HD-TV-Kanal um ca. 9 MBit/s.“

In einem Haushalt mit mehreren Personen und unterschiedlichen Vorstellungen vom Abendprogramm sind  16 MBit dadurch schon heute zu knapp. Die Eltern wollen eine Doku von National Geographics schauen (5 MBit in HD auf Netflix), die Tochter DSDS über Entertain (9 MBit) und der Sohn Gaming-Videos in HD – für 16 MBit ist das zu viel.

Und genau genommen würde schon das Beschriebene in der Realität gar nicht ohne Streit funktionieren, denn die 16 MBit sind ganz bewusst mit der Aussage „bis zu“ beworben. Der Speedtest auf DSLWeb.de hat im vergangenen Jahr durchschnittlich runde 10 MBit auf DSL Leitungen mit „bis zu 16 MBit“ gemessen.

Genau genommen bietet die Telekom mit der Bezeichnung „16 MBit“ ein sehr differenziertes Produkt an.

Sie definiert für jeden Anschluss eine „normale“ Geschwindigkeit, die bei 80% der Teilnehmer mit einem vergleichbaren Anschluss erreicht wird. Die „normale“ Geschwindigkeit eines DSL „bis zu 16 MBit“-Anschlusses definierte man 2016 mit 9,8 MBit.

Sprich: Bei der normalen Geschwindigkeit kann ein DSL 16-Kunde am Sonntagabend über Entertain den Tatort in HD gucken und nebenbei auf Twitter lesen, was dort unter #tatort so läuft. Wer im selben Haushalt lebt und den Abend medial anders verbringen will, hat bei der verbleibenden Bandbreite nur noch Spotify zur Verfügung – oder Streit mit den Tatort-Fans.

„Aber es gibt Konkurrenten! Die bieten mehr Leistung!“

Egal, was die Konkurrenten sagen: Im oben verlinkten Test ist die Telekom tatsächlich Spitzenreiter mit einer durchschnittlichen Bandbreite von 11,2 MBit. Die Konkurrenz hat hier tatsächlich das Geschäft belebt und die technisch erreichbare Bandbreite voran getrieben, aber die technischen Grenzen der alten Telefonleitungen sind sehr eng.

Ausschlaggebend für die erzielbare Bandbreite sind die Länge des Kabels vom DSLAM bis zur Dose, in die der Router gestöpselt wird, sowie die Abschirmung und die Anzahl der Leitungen im Bündel. Und dieser Faktor ist anbieterunabhängig.

In Ortszentren sind die DSLAMs relativ engmaschig verteilt, da sind die Leitungen kurz und die Telekom bietet inzwischen auch DSL-Verträge mit „bis zu“ 50 oder gar 100 MBit an. Diese Datenraten sind aktuell zeitgemäß, morgen aber schon so unzureichend, wie heute DSL 16.

Hier auf dem Land ist es anders. Schon in den Randgebieten des Hauptorts sind die Anschlüsse so weit vom DSLAM entfernt, dass keine 50 MBit mehr garantiert werden. Die genannten dünn besiedelten Außenbereiche, an denen die Telekom auch „bis zu 16 MBit“ verkauft, haben augenscheinlich keinen eigenen DSLAM vor Ort, sondern sind an die im Hauptort Vorst angebunden.

Wer dort lebt, wird zwnagsläufig zu den 20% der Telekom-Kunden gehören, bei denen noch nicht einmal die bei DSL 16 „normalen“ 9,8 MBit ankommen. Schon das Gewerbegebiet (auf der Karte oben zwischen Kempener- und St. Töniser Str. gelegen) wird per DSL meines Wissens nur noch mit 6 MBit versorgt.

Unitymedia kann immerhin im Hauptort bei meinen Stichproben flächendeckend Internet per TV-Kabel anbieten, allerdings im Gewerbegebiet gar nichts.

Der kleinste Vertrag von Unitymedia bietet derzeit 30 MBit, es gehen aber auch „bis zu 400 MBit“. Die verwendete Technik mit Koaxialkabeln stammt zwar aus den 1980ern, hat aber noch Luft nach oben.

Insofern ist nahezu jedes Haus im Hauptort (theoretisch) so ans Internet anbindbar, dass zukünftig erforderliche Bandbreiten und Datenraten noch eine Weile verfügbar sind. Zwar nicht von der Telekom und anderen DSL-Anbietern, aber da DSL auf einer wirklich uralten Leitungstechnik beruht, ist sein Lebensende sowieso erreicht.

Was wir brauchen ist eine Erschließung mit zukunftsträchtiger Technik, und zwar vor allem im Außenbereich. Den Bewohnerinnen und Bewohnern von Hecke und Kehn ist es vermutlich ziemlich egal, wie schnell Unitymedia oder irgendjemand anders das Internet machen kann – sie sind  derzeit nur per DSL erschlossen und brauchen daher als erste schnellere Leitungswege.

Aktuell bietet die Deutsche Glasfaser in NRW die Erschließung von Wohngebieten mit FTTH an, Fiber To The Home. Das ist erstmal toll, wenngleich mich die Werbemethoden mit Infoabenden, Infoständen und Handzetteln im Briefkasten ein Wenig an eine Butterfahrt erinnern.

Außerdem erschließt die Deutsche Glasfaser nicht, wie immer wieder unterschwellig angedeutet wird, unseren Ort erstmals mit schnellem Internet. Das ist ja dank Unitymedia bereits vorhanden, wenn man den richtigen Vertrag wählt und als Mieter seinem Vermieter klar macht, dass so oder so was passieren muss.

Die Deutsche Glasfaser will investieren, wenn 40% der Bewohner von Vorst einen Vertrag abschließen. Das führt zu Diskussionen auf Facebook, Zugzwang, Gruppenzwang, man möchte ja nicht Schuld daran sein, dass Vorst Internetödland bleibt (was es ja, ich wiederhole mich da ungerne, gar nicht ist)

Unterstellen wir mal, die 40% kämen zusammen. Dann legt die Deutsche Glasfaser in den nächsten 1-2 Jahren eine Ringleitung unter die Straßen und schließt von da aus die Häuser an.

Aber nur (Überraschung!) im Hauptort. Für die Anschlüsse in Hecke oder Kehn oder gar die über Huverheide verteilten Höfe gilt das nicht.

Nun kommt die nächste Große Koalition und die hat schon im Koalitionsvertrag einen Rechtsanspruch auf schnelles Internet vorgesehen. Wenn dieser Rechtsanspruch kommt, wird er höchstwahrscheinlich den Gemeinden gegenüber bestehen.

Die Stadt Tönisvorst wird in Bezug auf unseren Stadtteil allen „in der City“ sagen können: Du hast doch schnelles Internet in der Straße, schließ einfach einen Vertrag mit Unitymedia ab.

Aber die Außenbezirke sind, Glasfaser im Zentrum hin oder her, gerade mal mit Telefon angebunden. Gerade die Außenbezirke, die bei starkem Schneefall oder Glatteis nicht mehr so gut zu erreichen sind und von Dingen wie Telemedizin doppelt profitieren würden.

Zumal die Stadt gerade im Baugebiet „Vorst Nord“ Einfamilienhäuser bauen lassen will, um junge Familien in den Ort zu holen. Vorst Nord liegt im Bereich, wo die Telekom möglicherweise mal „bis zu 16 MBit“ liefert und Unitymedia noch nicht ein Kabel gelegt hat.

Junge Familien will man anlocken, die, wenn sie noch keine haben, voraussichtlich bald Kinder bekommen, was dazu führt, dass über Kurz oder Lang ein Elternteil von der Möglichkeit profitieren könnte, Homeoffice zu machen. Wenn man denn Homeoffice machen kann, was – völlig unerwartet –  vom Tempo des Internets abhängt.

Also sollte (nein: muss!) die Stadt hier aktiv werden und für die Außenbezirke, die ja schon im Gewerbegebiet beginnen, eine Versorgungsgarantie aushandeln. Und im nächsten Schritt können wir dann versuchen, das Zentrum mit Glasfaser zu verkabeln, damit das Netz auch übermorgen noch schnell genug ist.