Die re:publica lebt von Diskussion und Meinungsaustausch. Dazu dienen auch Stände der Sponsoren in der großen Halle am Veranstaltungsort. Nun hat das Personal eines dieser Stände sich auf eine Weise verhalten, die zu Kritik und Beschwerden durch andere TeilnehmerInnen führten, die unter anderem die unangemessene Kleidung bemängelten. Der Stand wurde vom Gelände verbannt – und steht nun vor dem Gelände, auf der Facebookseite wird das als Provokation und mangelnde Toleranz angeprangert.

Genau: Der Stand der Bundeswehr. Das Mimimi auf Facebook liest sich, als ob ein Startup rausgeschmissen wurde und nun ums Überleben kämpft:

Mimimi der Bundeswehr

Nun, das kann man so machen. Bloß sollte man dabei einige Dinge bedenken.

[Update]Zum einen: Der Stand der Bundeswehr war nie eingeladen oder „genehmigt“, wie es hier dargestellt wird. Auch für 2018 bekamen die Armee keine Erlaubnis, einen Stand auf der re:publica aufzubauen. Es waren nur Soldaten in Uniform offenbar als Gäste auf der Veranstaltung. Das gab es in der Vergangenheit schon, auch Soldaten dürfen Tickets kaufen. Ob von diesen uniformierten Gästen auf dem Gelände irgendwelche Beeinträchtigungen ausgingen, kann ich derzeit (aus der Entfernung) nicht sagen. Aber es fühlten sich vom Wagen, der vor der Tür stand, eben BesucherInnen der re:publica belästigt.

Die Aussage, dass den Soldaten in Uniform der Zutritt verweigert würde, ist also ein alternative fact, denn der ganze Stand wurde nicht genehmigt und daher das Standpersonal (ob mit oder ohne Uniform) nicht auf das Gelände gelassen. Das wird im Facebook-Posting geschickt ausgelassen.[/Update]

Zum anderen: Auf der re:publica sind Gäste und SprecherInnen aus allen erdenklichen Ländern und Kontexten. Chelsea Manning ist nur eine davon: Eine Trans-Person, die als Soldat Whistleblower war. 

Es gibt im Makerspace regelmäßig Gruppen aus Afrika, die Projekte vorstellen, und Opfer von Bürgerkriegen und totalitären Regimes halten Panels und berichten von ihren Erfahrungen. Die re:publica ist absolut pluralistisch. 

Dass die Bundeswehr hier ein Problem damit hat, dass Uniformen außer bei Brandschutz und Sanis nicht so wahnsinnig gerne gesehen werden sie keinen Stand auf der re:publica bekommt, um sich zu präsentieren, zeigt ganz anschaulich, dass die Verantwortlichen sich vor der #rp18 keinen Schnatz dafür interessiert haben, wo sie überhaupt hin gehen wollen.

Schließlich führen (nicht: können führen) Uniformen bei Menschen aus totalitären Regimen und Diktaturen zu Unwohlsein.

Jetzt krieg das Team von „Bundewehr Karriere“ – nicht zuletzt wegen der wahrheitswidrigen Fake-Argumentation mit dem „Rausschmsis“ – einerseits Zustimmung von Facebook-Usern, die ich als Staatsvertreter auf meiner Facebook-Seite nur ungerne sehen würde, beispielsweise Gewaltphantasien;

Bundeswehr soll sich gewaltsam Zutritt verschaffen?

Die Aufforderung, hier Hausfriedensbruch zu begehen wird nicht nur stehen gelassen, sondern bis jetzt von keinem Bundeswehrmitarbeiter in irgendeiner Weise kommentiert.

Und auch dubioses Rumgeunke durch Mitarbeiter von Bundeswehr Karriere ist absolut unsouverän und unsäglich:

Verdeckte Zustimmung einer Forderung, Linke zu verbieten?

Und dann noch offene „Gutmenschen“ und „Bundmenschen“-Anprangerung, das sind Vokabeln, die von Besorgten Bürgern, der AfD und *GIDA-Sympathisanten in ihrer Bedeutung als Kritik und geradezu Kriminalisierung von allem, was nicht auf deren Seite steht, definiert wurden.

Warum lässt die Bundeswehr so offene rechte Propaganda auf der Facebookseite stehen? Ist die Armee auf einmal nicht die der Bundesrepublik, sondern die einer Partei? Neutralitätsgebot anyone?

Wortwahl, wie sie von der AfD oder *GIDA stammen könnte, bekommt sogar Zuspruch.

Aber es geht noch weiter. Auf das offensichtliche Mimimi angesprochen, reagiert das Facebook-Team von Bundeswehr Karriere erst gar nicht, und dann mit Rechtfertigungen.

 

Nein, dass man sich provoziert und diskriminiert fühlt (zumindest wird der Diskriminierungsvowurf in den Kommentaren nicht in Abrede gestellt), ist kein Mimimi.

Was ist aus der Bundeswehr geworden? Als ich dort drei Jahre Zeitsoldat war, lästerten wir, dass die Bundeswehr nur dazu da sei, den Feind so lange an der damaligen innderdeutschen Grenze aufzuhalten, bis richtiges Militär kommt. Also die NATO-Verbündeten. Schließlich hatte bis dato noch kein Bundeswehrsoldat eine Waffe in einer echten militärischen Aktion abgefeuert.

Das hat sich geändert. Die Bundeswehr hat in Auslandseinsätzen unter internationalem Kommando gezeigt, dass sie wirklich funktioniert. Dass der „Bürger in Uniform“, wie es in den 80ern hieß, tatsächlich Soldat ist. Sollte das nicht das Selbstverständnis einer Armee verändern? Sie souveräner machen?

Offenbar nicht. Der Versuch, das Mimimi nicht einzuräumen und aus einer Rekrutierungsshow von Bundeswehr Karriere (der Personalwerbung der Bundeswehr) eine sich in die re:publika einbringen wollen zu machen, geht aber sowas von in die Hose:

Bundeswehr Karriere ist also eine Diskussionsplattform? Soso.

Neue Ideen wollte man austauschen. Offenbar haben wir die Aufgabe der Einheit die unter „Bundeswehr Karriere“ firmiert falsch verstanden. Es geht um Innovationen und Austausch auf politischer und sozialer Ebene. Man will lernen. Dass man nun „Bundeswehr Karriere“ heißt, ist bloß ein dummer Zufall, ich meine, niemand hat sich seinen Namen ausgesucht.

Aha, Bundeswehr Karriere ist die Cybersicherheitsabteilung…?

Aber es geht noch absurder. Wegen einer Diskussion um Cybersicherheit sei man wohl da gewesen. Personal für diese Aufgabe zu werben habe man offenbar nie vor gehabt, austauschen wollte man sich.

Was – siehe oben – absolut aus dem Namen „Bundeswehr Karriere“ hervorgeht. Dass die ersten Beschwerden beim re:publica-Orgateam unter anderem bemängelten, dass relativ aufdringlich Personal geworben wurde (was ich weder be- noch widerlegen kann, da ich nicht dabei war) ist vermutlich so ein Gerücht von Leuten, die der Bundeswehr einfach nicht den Spaß gönnen.

Also fragte ich:

Cybersecurity würde ich (wenn ich dieses Jahr da wäre) gerne diskutieren. Aber, t’schuldigung: Nicht mit der Rekrutierungsabteilung. So, wie ich es mitbekommen habe, könnt Ihr Infos über offene Stellen in der Cybersecurity weitergeben, aber nichts Fachliches. Oder verstehe ich „Bundeswehr Karriere“ falsch und es ist eine clevere Tarnbezeichnung, um die Cyberarmy quasi unsichtbar zu machen?

Bei der Bundeswehr kann jeder alles?!?

Die Antwort von Lisa vom Bundeswehr Karriere-Team auf Facebook zeigt nun, dass die KameradInnen dort die Ausfahrt weg vom Mimimi mit Gesichtsverlust schon einige Kilometer verpasst haben.

Ich würde mit Lisa und Lars, die hier so beharrlich darauf bestehen, dass sie nicht ins Fettnäpfchen getreten sind, in dem sie gerade knietief versinken, gerne man über asymmetrische Kryptographie, Man-in-the-Middel-Angriffe, Passwortkardinalitäten und andere sicherheitsrelevante Dinge reden. Nur so, um ihnen zu demonstrieren, was für einen schreiend offensichtlichen Unsinn sie hier schreiben.

Diskussionen sind ein Teil der Gesellschaft und eine Armee, die aus der Mitte der Gesellschaft stammen will, muss sie führen. Aber es ist, glaube ich, deutlich geworden, was das Problem ist.

Die Bundeswehr kann auf der re:publica mitmachen. Aber dann bitte an die dortigen Standards halten. Reicht ein Panel zu einem Thema ein, von dem ihr meint, dass es der Konferenz nützt (und nicht nur der Bundeswehr), beteiligt Euch an Panels, mischt Euch in Diskussionen ein. Aber jammert nicht, wenn ihr da aneckt.

Es ist einer Armee, in der ich selber mal drei Jahre gedient habe, unwürdig, sich alleine durch das Zünden von Nebelkerzen und krass unwahren Äußerungen auf Facebook als Opfer einer Provokation darzustellen. Ihr seid Teil der Souveränität des Staates. Dazu gehört auch Selbstkritik, dazu gehört auch, Fehler einzusehen. Dazu gehört nicht, den Anschein zu erwecken, bei einer Veranstaltung rausgeworfen worden zu sein, die Ihr gar nicht betreten durftet. Auch, wenn Ihr auf der re:publica vielleicht außer dem Tragen von Uniformen nichts Anstößiges gemacht habt – dieser Facebook-Post ist ein fetter Fehler, ein riesiges Fettnäpfchen, das Eure Souveränität untergräbt.

Das ist schon kein Fettnäpfchen mehr, das ist eine Fettwanne in der Größe eines Bällebades, in das Ihr da gesprungen seid.

Ich werde auch eine Anfrage zu diesem Thema an den Pressesprecher des Bundesverteidigungsministeriums eine Presseanfrage schicken. Auf die Antwort bin ich wirklich gespannt.

Offenlegung: Ich war von 1985 bis 1988 Zeitsoldat.

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