Und wieder mal macht so ein „lustiger“ Hass-Text gegen Fridays 4 Future die Runde.
Mit onkelhaften Schnekelkopfern versucht er, die Bewegung als doof darzustellen. Doof, unehrlich, verlogen. Faschistisch. Ernsthaft!
Auf dem Niveau eines Kneipengesprächs (oder lieber eines Locker Room-Talks?). Auf meiner Pinnwand landete die Version, die ein Joerg (ohne Umlaut) gepostet hat. Ich stelle mir gerade vor, Joerg sei ein Kollege, den ich abends zufällig in der Kneipe treffe. Das Gespräch verliefe etwa so:
Joerg: „Oh … Oh … war heute Drama. Knallende Türen, wildes Gekreische“
Ich: „Was war denn?“
„Unsere Tochter kam gerade von der bescheuerten FFF Schulschwänzerei zurück.
Sie war stocksauer, weil wir sie (klimaschonend) nicht abgeholt haben und sie geschlagene 3 Stunden in Bus und Bahn abhängen mußte.“
„Find ich gut, dass Ihr ans Klima denkt. Drei Stunden sind aber echt ein Hammer, ist wirklich scheiße, dass der öPNV so eingedampft wurde in den letzten Jahrzehnten.“
„Beim trockenen aber immerhin veganen Sojakuchen (nur für sie, wir hatten Käsekuchen) gab´s dann noch ne Überaschung.“
„Wenn der vegane Käsekuchen mit Sojamilch zu trocken war, dann hat da aber jemand das Rezept nicht gelesen. Wenn wir den machen, ist kein Unterschied zum ’normalen‘.“
„Sie darf jetzt morgens mit dem Bus zur Schule. Das ist zwar etwas blöde, weil der hier nur jede Stunde fährt und sie dann entweder ne Stunde zu früh in der Schule ankommt (der wir heute vorgeschlagen haben, sie nicht mehr zu heizen, weil das immer noch mit Öl passiert) oder eben zu spät erscheint.“
„Interessant. Ihr habt sie also bisher immer in die Schule gefahren? Nun, Ihr seid ja für sie Vorbilder, und wenn Ihr sie jeden Tag fahrt, warum beschwerst Du Dich dann, dass sie abgeholt werden wollte?
Und dass die Busse so selten und zu doofen Zeiten kommen ist ja auch das Ergebnis von Fahrgastzählungen. Eure Tochter wurde da offenbar nie gezählt, weil sie ja nicht Bus gefahren ist, woher soll das Busunternehmen dann wissen, dass sie den Bus jetzt braucht? Sollen die Planer Knochen werfen oder zum Wahrsager gehen?“
„Mit dem Fahrrad will sie auch nicht, wegen der vielen Berge und Steigungen und außerdem ist ja bald Winter…, es sei denn, sie bekommt zu Weihnachten ein E-Bike.“
„Ist doch gut, mit einem eBike kann sie dann auch längere Strecken fahren und wird selbständiger.“
„Auf mein väterliches Erstaunen „Weihnachten“?, das ist doch voll anti-öko, all die bunten Lichter und erst der Co2-Ausstoß der Kerzen !“ kam dann schon der erste prä-pubertäre Protest, der ihrer Trotzphase zwischen dem 2. und 3. Lebensjahr erstaunlich ähnelte.“
„Echt jetzt? Ihr habt echte Kerzen am Weihnachtsbaum? Keine Angst, dass Euch die Bude abbrennt? Mal im Ernst, ich sehe eine Menge ökologischer Probleme im Zusammenhang mit Weihnachten, aber die Kerzen und die Lichter? Komm mal auf den Teppich.“
„Und wie jetzt…. „E-Bike“ ? Hat unser Töchterchen die verwüsteten Gegenden noch gar nicht gesehen, die bei der Gewinnung seltener Erden für die Akkus entstehen ?“
„Besser ein E-Bike als ein Mofa. Die Umweltschäden durch die Förderung Seltener Erden sind bei weitem geringer als die durch die Förderung und Handel von Erdöl. Exxon Valdez sagt Dir noch was? Oder Deepwater Horizon? Schau mal bei Wikipedia, da wirst Du blass, wenn Du die Unfälle siehst.“
„Jetzt sitzt sie oben in ihrem Zimmer, bei 8 Grad. Wir haben die Heizung schon wegen des ökologischen Gewissens abgeschaltet.“
„Dann sind Eure Wände feucht. Wir haben noch immer 10 Grad mehr als Ihr und heizen noch lange nicht. Hol Dir mal einen Baugutachter, Eure Hütte ist bestimmt nass und voller Schimmel.“
„Wahrscheinlich tippt sie sich wenigstens ihre Finger warm, indem sie auf dem I-Phone wütende Mails über ihre „Scheiß Eltern“ an ihre Freundinnen tippt.
Wir haben ihr angekündigt, daß sie dieses I-Phone um 19 uhr los ist. Denn schließlich ist es unverantwortlich, weiter Strom zu verschwenden um mehr oder weniger nützliche Konversation zu betreiben und zweitens… siehe Lithium-Gewinnung und ökologische Folgen…““
„Ich finde, sie hat völlig Recht. Erst gewöhnt Ihr sie an das Gefahrenwerden, sorgt dadurch mit dafür, dass der öPNV zurückgefahren wird, und dann werft Ihr ihr vor, dass sie abgeholt werden will? Diese Sache mit Ursache und Wirkung kennst Du aber schon, oder?“
„Ihren Protesten gegen diese Enteignung versicherten wir mit ruhiger Stimme, daß wir das I-Phone entweder direkt an hungernde Kinder in Afrika schicken oder es verkaufen und den finanziellen Gegenwert zur Rettung des südamerikanischen Regenwaldes spenden würden.“
„Toll, dass Ihr den Regenwald retten wollt. Aber was hat das mit dem iPhone zu tun? In unserem Alter hatten wir eine Stereoanlage mit mindestens 200 Watt Energieaufnahme, einen Fernseher, eine frühe Spielekonsole, für die heutigen Kids hat das Smartphone all das abgelöst. Zu viel geringeren Betriebskosten. Mit dem Stromverbrauch eines Smartphones kann so ne klassische Stereoanlage aus drei oder vier Einzelkomponenten gerade mal das Grundrauschen erzeugen. Auf einem Lautsprecher, für den zweiten reichts schon nicht mehr. Ist doch toll, wie stromsparend das alles ist.“
„Richtig lustig wird´s ab Montag: Da tauschen wir ihre hübsche Kleidung gegen Jute, Wolle und Hanffaser gewebte Sachen aus. Ihre Nikies mit Plastesohle werden konsequent gegen holländische Holztreter ersetzt.
(Und wenn jetzt jemand meint das wär Satire: Nein, wir ZIEHEN DAS DURCH !)“
„Komm mal auf den Teppich. Die meisten bunten Klamotten sind nach wie vor aus Baumwolle, die im Prinzip völlig ok ist. Hanffaser ist vom Tragekomfort her sogar noch besser, ich hab auch mehrere Hemden aus Hanf, was Dir vermutlich noch gar nicht aufgefallen ist. Wolle ist übrigens unökologisch, Tierzucht und so. Weißt Du, ich hab den Eindruck, dass Du Dich einfach ertappt fühlst.“
„Wenn sie dann immernoch rumkreischt hat sie 2 Möglichkeiten:
1) zu erkennen, welchen hirnlosen Öko-Faschisten sie da gerade aufliegt
2) zu erkennen, welchen hirnlosen Öko-Faschisten sie da gerade aufliegt !“
„Ach, so siehst du das. Faschisten. Aha. Was das Wort bedeutet weißte aber schon, oder?
Aber jetzt mal Tacheles: In den letzten drei Jahrzehnten hätten wir so viele Chancen gehabt, den Klimawandel zu stoppen. Seit den 90ern kommt alle paar Jahre eine Automarke um die Ecke und tönt, den Wasserstoffantrieb jetzt kurz vor der Marktreife zu haben – und kaum steigen die Aktienkurse, wird das Projekt eingestampft. Oder das Drei-Liter-Auto. Piech ist sogar selber mit einem Ein-Liter-Auto zur IAA gefahren. In Serie ist das dann als VW Lupo gegangen und gleich wieder gestorben. Warum eigentlich?
Oder Photovoltaik. Da gab es tolle Projekte und Fortschritte, und als es zu erfolgreich wurde, hat man die Einspeisevergütung gekappt. Dadurch gingen in den Folgejahren über 80000 Arbeitsplätze in der Branche kaputt. Und den F4F-AktivistInnen und denen von Ende Gelände wird vorgeworfen, dass sie die 20.000 Arbeitsplätze im großen Bereich der Braunkohleverstromung gefährden.
Merkst Du eigentlich, wie lächerlich Du bist? 71% der Deutschen haben Angst vor dem Klimawandel, Du gehörst offenbar zu den 29%, die Angst vor einer 16jährigen haben. Weil auffliegen könnte, dass ihr eigener bequemer Lebenswandel ursächlich zum Klimawandel beiträgt.
Weil jemand merken könnte, dass sie und ihre Altersgenossen die Welt zu einer Welt der unökologischen Wegwerfartikel gemacht haben.
Falls Du Deine Tochter liebst, dann reiß Dich gefälligst zusammen und sorg dafür, dass sie eine Chance hat, der Klimakatastrophe zu entkommen. Und die Enkelkinder, die Du Dir bestimmt wünschst, auch.
Schönen Abend noch.“