Landwirte, insbesondere kleine Familienbetriebe, kämpfen ums Überleben. Das ist keine Panikmache, sondern es ist so. Neue Umweltvorschriften sollen eben die Umwelt schützen – und erschweren den Landwirten die wirtschaftliche Existenz noch mehr.

Eine kurze Analyse.

Die aktuellen Probleme der Landwirte lassen sich auf den einschlägigen Webseiten nachlesen:

Das umstrittene Agrarpaket: Das gefährde gerade die bäuerlichen Familienbetriebe, die erhalten werden sollen, so die Verantwortlichen von „Land schafft Verbindung – wir rufen zu Tisch“. Das Aktionsprogramm zum Insektenschutz sei ein Affront gegen den kooperativen Naturschutz.
Die verschärfte Düngeverordnung: Sie führe unter anderem zu Unterdüngung. In den „roten“ Gebieten würde die Schuld für sämtliche Nährstofffrachten den Landwirten in die Schuhe geschoben. Die neuen Regeln seien zum Teil fachlicher Unsinn und verursachten wirtschaftlich enorme Einbußen.
Das ständige Bauernbashing: Der Buhmann der Politik und vieler Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu sein bedeute permanente negative Stimmungsmache. Das führe zu Ärger und Frustration im Berufsstand, weiter zu Diskriminierung, Benachteiligung und Mobbing von Familienangehörigen.
Das unerträgliche Mercosur-Handelsabkommen: Das gefährde durch Billigpreise importierter und eher wenig nachhaltig erzeugter Waren die Versorgung mit sicheren, qualitativ hochwertigen und geprüften Lebensmitteln aus der eigenen Region.

Agrar Heute

Um die Forderungen zu beurteilen benötigen wir eine IST-Analyse.

Nehmen wir als Beispiel ein Angebot eines großen Discounters:

Drei Schweineschnitzel, paniert und gebraten, 300g Füllgewicht, kosten 2,29€.

Jedes Jahr werden in Deutschland zwischen 50 und 60 Millionen Schweine geschlachtet. Deutschland ist Nettoexporteur, das heißt, dass mehr Schweinefleisch aus Deutschland exportiert als nach Deutschland importiert wird. Die Schlachtungen in Deutschland bringen über 5 Millionen Tonnen Schweinefleisch auf den Markt. Rund 62 Kilo pro Person in Deutschland.

Um ein Kilo Schweinefleisch zu „erzeugen“, müssen dem Tier rund 6kg Kilogramm Futter geboten werden. Ich habe bewusst die Nebenprodukte wie Knochen, Innereien etc. außen vor gelassen.

Dieses Futter bestehen aus beispielsweise

80% Kartoffeln
10% Gerstenschrot
10% Linsenschrot

300g Schweineschnitzel entsprechen also

1,4kg Kartoffeln,
je 180g Gersten- und Linsenschrot

Kartoffeln und Gerste (konventionell erzeugt) kosten derzeit im Supermarkt jeweils rund 1€ pro Kilo, getrocknete Linsen 2€. Die Endkundenpreise der Futtermittel für 300g Schweineschnitzel entsprechen 1,94€.

Die deutsche Leitkultur, nach der das Mittagessen „Schnitzel mit zwei Beilagen“ Standard ist, hat hier eine absurde Preispolitik erschaffen. Die Preise für Lebensmittel – insbesondere Fleisch – sind schmerzhaft niedrig, was in vielen Fällen zu weniger Einnahmen bei den Landwirten führt, als für eine tiergerechte Haltung erforderlich wäre.

Tierschutzskandale werden vor Ort aufgedeckt, da, wo Landwirte ihre Tiere eben sogar noch unterdurchschnittlich gut behandeln. Und das führt dann zu „Bauernbashing“ und Paschalverurteilungen, die – zu Recht – angeprangert werden.

Natürlich treffen sie die falschen, denn eigentlich sind es wir VerbraucherInnen, die Schuld daran tragen, dass eben das billigste Schitzel gekauft wird, das die geringsten Einnahmen in der Wertschöpfungskette mit sich bringt und damit auch – Überraschung – die meisten Kompromisse und Einschränkungen beim Tierwohl, bei der Qualität der Futtermittel, bei den Bedingungen, unter denen das Tier transportiert und geschlachtet wurde.

Tierwohllabel bringen da auch nicht viel. Den Platz für ein am Lebensende 130kg schweres Schwein von 0,75m² in der höchsten Stufe des Labels auf 1,5m² zu erhöhen klingt wie ein schlechter Witz:

Quelle

Und die Akzeptanz der VerbraucherInnen in Bezug auf die höheren Preise, die solche Tierschutzlabel mit sich bringen, ist auch nur so mittelgut. Die Hochschule Osnabrück hat das erhoben und kam zu folgendem Ergebnis:

– geringe Aufpreisbereitschaft für Fleischware mit Tierwohl-Siegel
bei verpacktem Schweinefleisch:
– Nur 16 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher zeigen Tierwohlaffinität im Test
– tatsächliche Kaufentscheidungen differenzieren deutlich von Befragungsergebnissen

Quelle

Aber auch in der Ackerwirtschaft sieht es mau aus mit den Einnahmen der Landwirte.

Nehmen wir der Einfachheit halber Kartoffeln.

Jedes Jahr werden 8,9-11,7 Millionen Tonnen Kartoffeln in Deutschland geerntet. Angebaut wurden sie auf rund 252.200 Hektar.

In einem durschnittlichen Jahr sieht das betriebswirtschaftlich so aus:

  • Kosten pro Hektar: 4.800€ (Saatgut, Dünger, Arbeitskosten, auch virtueller Lohn des Landwirts selber)
  • Ertrag in kg: 32,8 Tonnen
  • Ertrag in Euro: 5.284€

Pro Hektar, also 10.000m² Ackerfläche, erwirtschaftet der landwirtschaftliche Betrieb mit Kartoffeln im Durchschnitt 484€. In NRW haben landwirtschaftliche Betriebe im Durchschnitt 42,3 Hektar Land. Wir kommen beim Anbau von Kartoffeln (eine von 2-3 Früchten des Jahres) auf 20473,20€ an Gewinn.

Nun ist es aber so, dass Landwirte die Preise schon im Vorfeld verhandeln müssen, wenn die genauen Erträge noch gar nicht feststehen. Bei den genannten durchschnittlichen Einnahmen, die auf durschnittlichen Preisen und durchschnittlichen Erträgen beruhen, ist alles gut.

2018 waren die Kartoffelernten aber dürrebedingt 25% unter dem Durchschnitt, und 2019 wird es am Ende nicht besser aussehen.

Die Einnahmen pro Hektar betrugen 2018 also im Durchschnitt nur 3936€, da die Preise ja verhandelt wurden, als die Dürre nicht vorhersehbar war.

Pro Hektar macht das einen Verlust von 864€, pro Betrieb mit 42,3 Hektar sind das ein Verlust von 36547,20€.

Bei anderen Feldfrüchten (Futtermais, Rüben, Getreide, Raps) sind die Situationen ähnlich.

Dazu kommt: Während ein Kilogramm Kartoffeln im Supermarkt derzeit rund einen Euro kostet, erwirtschaftet der Landwirt nur rund 16 Cent pro Kilo. Mal im Ernst: Wer von uns würde bei dieser Preisspanne den Job machen?

Das hat alles Konsequenzen.

Um die Erträge zu steigern, muss gedüngt werden. Grob gesagt gilt: Mehr Dünger = mehr Ertrag.

Dünger wird aber nie zu 100% von den Pflanzen aufgenommen. Durch Regen und Bewässerung wird er in tiefere Schichten des Erdreichs – und das Grundwasser – gespült. Dünger ist ein Nitratträger, egal, ob mit billiger Gülle (die wieder ein Thema für sich ist) oder mit teuren Mineraldüngern gearbeitet wurde.

Die EU hat 2006 festgelegt, dass durch die erlaubte Düngemittelausbringung das Grundwasser nicht stärker mit Nitrat belastet werden darf als ein bestimmter Grenzwert vorgibt: 50mg pro Liter.

Der Grenzwert ist nicht aus der Luft gegriffen, denn Grundwasser wird zu genau dem Trinkwasser, das wir alle aus der Leitung beziehen, und Nitrate lassen sich derzeit nicht aus dem Wasser ausfiltern. Um die Nitratbelastung zu senken, muss das Wasser mit saubererem Wasser verschnitten werden, wozu man erstmal saubereres Wasser haben muss.

Die Brunnen werden daher immer tiefer gebohrt, was auch nur ein Wettrennen darstellt, solange immer weiter mehr Nitrat nach unten gespült wird als die Mikroorganismen auf dem Weg dorthin verarbeiten können.

Die aktuelle Düngemittel-Verordnung lässt jedoch so viel Dünger zu, dass der gewünschte Effekt eben nicht erreicht wird. Hier im Kreis Viersen sind in faktisch allen Städten die Äcker und das Grundwasser übermäßig nitratbelastet – nur hier in Tönisvorst ausnahmsweise nicht, da hier überwiegend Obstbauern ihre Höfe haben, die nicht mit Gülle düngen.

Da die aktuelle Dünge-VO gegen EU-Vorgaben verstößt, zahlt Deutschland derzeit 800.000€ Strafe pro Tag an die EU.

In den Niederlanden gilt schon lange eine EU-konforme Verordnung, was u.a. dazu führt, dass in den Niederlanden anfallende Gülle am besten in Deutschland entsorgt auf Felder ausgebracht werden kann, weil hier für Gülle höhere Grenzwerte gelten.

Das wird durch eine Neufassung der Dünge-VO im nächsten Jahr korrigiert, was aber zu weniger Dünger – und damit zu weniger Erträgen führt. Das ist natürlich landwirtschaftlicher Unsinn, aber auch Landwirte wollen sicher auch in 20 Jahren noch Trinkwasser aus der Leitung bekommen, das nicht mit gesundheitsschädlichen Mengen Nitrat belastet ist.

Kurz gesagt: Die oben vorgerechnete, ziemlich miese und betriebswirtschaftlich hoch riskante Ertragslage der Kartoffelproduktion wird sinken. Ob die Großabnehmer jedoch höhere Preise zahlen werden, um das auszugleichen, ist ungewiss, da es aus dem Ausland billigere Ware gibt.

Die Wünsche der Bauern sind verständlich, rütteln jedoch nicht an den Umständen, die die wirtschaftlichen Probleme verursachen:

Das Essen ist zu billig und VerbraucherInnen haben keine Lust, das zu ändern.

Statt Bauern zu bashen sollten wir daher beispielsweise in Hofläden kaufen (wo der Landwirt unseren ganzen Euro für das Kilo Kartoffeln erhält und nicht nur weniger als 20ct), indem wir auf vernünftige und von Tierschutzverbänden akzeptierte Tierwohllabel achten, denn diese Produkte kosten nicht deshalb mehr, weil sie ein Luxusgut mit Goldkante bezeichnen, sondern den Landwirten Einnahmen garantieren, die bessere Haltungsbedingungen erstmal ermöglichen.

Die Forderungen des Agrarpakts und der neuen Dünge-VO sind erforderlich und sinnvoll, werden aber auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen.

Kategorien: Allgemein