Nein, es geht nicht um irgendwas geheimdienstliches oder so, es geht um den Alltag mit einem alltäglichen Smartphone.
Letzte Woche war eine lange Ratssitzung und als ich abends ins Bett fiel blieb das Display meines Smartphones (Android, Mittelklassegerät) dunkel.
Das Gerät war dreieinhalb Jahre alt und hätte noch eine Weile seinen Dienst getan. Eigentlich wollte ich nächstes Jahr mal in Ruhe gucken, was so auf dem Markt ist, aber so lange Samsung noch Updates liefert und das Gerät schnell genug für neue App-Generationen ist, bestand kein Handlungsbedarf.
Ein dunkel bleibendes Display kommt schonmal vor, ist in der Vergangenheit meistens ein Softwareproblem gewesen. Also Neustart des Gerätes erzwingen (gleichzeitiges Drücken des Ein-Aus-Schalters und des Schalters für „Leiser“, bis das Gerät durch kurze Vibration anzeigt, dass es neu bootet).
Das Display blieb dunkel.
Mist.
Während ich das vorherige Smartphone als Ersatzgerät fit machte und mir ein aktuelles Smartphone klickte, suchte ich parallel nach Möglichkeiten, das defekte Gerät zu löschen.
Die wichtigen Daten, die gesichert werden müssten, waren WhatsApp-Chats (die werden aber von WhatsApp gesichert) und Bilder (die werden sogar in meiner eigenen Cloud gesichert).
Passwörter sind nur verschlüsselt im Bitwarden-Passworttank gespeichert, für die 2FA-Tokens für die diversen Websites hab ich Ersatzcodes abgespeichert und kann die Einträge im 2FA-Manager durch Neueinrichten nutzlos machen. Die 2FA-App meiner Hausbank muss auf jedem Smartphone über einen per Brief verschickten Code freigeschaltet werden und ihre Authorisierung kann ich im Online Banking gezielt widerrufen.
Also kann ich das Gerät löschen, ich brauche keinen Zugriff auf die Daten.
Aber wie, so ohne Display?
Google bietet mit Find My Device einen Dienst an, mit dem ich das Handy per GPS suchen, durch einen nicht unterdrückbaren Klingelton lokalisieren und auch remote sichern und löschen kann.
Dumme Sache: Das ging nicht mehr.
Denn seit einiger Zeit ist es nach einem Android-Neustart so, dass das Gerät die wirklich interessanten Dinge (WLAN, BlueTooth…) erst aktiviert, wenn man seinen Zugangscode (Muster oder PIN) eingegeben hat. Und damit meine ich nicht die PIN der SIM-Karte, die längst im Ersatzgerät steckte, und auch nicht die biometrische Authentifizierung. Letztere funktioniert erst nach dem Aktivieren durch den Code.
Wie gebe ich den Code nun ein, wenn das Display nicht funktioniert? Ich hielt das inzwischen gelieferte neue Smartphone mit einem nahezu gleichgroßen Display daneben und startete beide erzwungen neu. Das Entsperrmuster übertrug ich, soweit es 1:1 möglich war, auf das Gerät mit dem dunklen Display.
Passiert ist – nix.
Ich drückte die Ein-Aus-Tasten beider Geräte, bis auf dem intakten Gerät die Auswahlen für Abschalten und Neustart zu sehen waren, drückte auch auf dem defekten Gerät die Stelle für Neustart und dann die für die Betätigung des Neustarts.
Passiert ist – nix.
An den PC angeschlossen konnte ich beim erzwungenen Neustart genau sehen, ob das Gerät neu startet. Im Dateimanager (der PC läuft zwar unter Linux, aber ich nutze den alten Windows-Namen der Verständlichkeit halber) konnte ich das Smartphone als Wechseldatenträger sehen, beim erzwungenen Neustart verschand es kurz, jetzt aber nicht. Der der Zugriff auf die Dateien funktionierte übrigens nicht, weil ich auch dafür erst in einem Dialog auf dem Smartphone erst meine Zustimmung erteilen müsste, was halt am dunklen Display scheiterte.
Und – wie ich inzwischen mutmaßte – auch daran, dass offenbar nicht nur das Display sondern auch der Touchscreen defekt ist.
Dann lösche ich es halt über die Android Debugging Bridge, dachte ich mir. Diese ADB ist eine Sammlung von Kommandozeilenbefehlen, mit denen ich ein per USB an meinen Computer angeschlossenes Smartphone z.B. mit neuer Software bespielen kann. Ich hab schon eine Reihe gebrickter Geräte von Bekannten derart gerettet.
Dazu muss ich das Gerät neu starten – kann ich ja durch zwei physische Tasten am Gerät erzwingen – und dann beim Neustart eine andere Tastenkombination drücken. Damit komme ich in den Bootloader. Dort kann ich unter verschiedenen Optionen wählen, indem ich eine Auswahl mit den Lautstärkentasten bewege und dann mit der Ein-Aus-Taste bestätige. Alles ganz ohne Touchscreen.
Ein Foto des Menüs fand ich im Netz.
Stellt sich raus: Ich kann über die ADB tatsächlich nur ein neues Android-Image hochladen und ihre vielen Befehle für nichts anderes nutzen.
Warum? Weil ich das Gerät dazu in den Entwicklermodus hätte versetzen müssen. Dazu geht man bei einem gestarteten Android in die Einstellungen, scrollt ganz ans Ende und tippt dann etliche Male auf einen bestimmten Menüpunkt. Was wieder ein intaktes Display mit intaktem Touchscreen voraussetzt.
An dieser Stelle fiel mir auf: Dieses Smartphone war das erste Android-Gerät, auf dem ich nicht mit der ADB irgendwas tricksen musste, um zum Beispiel ein alternatives Android aufzuspielen. Deshalb bestand auch nach dreieinhalb Jahren kein Grund, es in den Entwicklermodus zu bringen. Danke, Samsung, Ihr macht Euren Job offenbar gut. Was mir jetzt auf die Füße fällt.
Ein letzter Tricks, bei dem ich mit der einzigen verfügbaren Funktion der ADB eine leere Datei als Android-Image hochlade, um das Gerät zu bricken, funktionierten natürlich nicht.
Also blieb nur eines: Im Bootloader die Option „Wipe and Factory Reset“ ausführen.
Was ich dann tat. Doof an der Sache ist, dass ich mit der ADB im Entwicklermodus den Speicher hätte ansehen können um zu prüfen, ob alles gelöscht ist. So konnte ich das nicht. Und ohne Display ist auch kaum zu prüfen, ob der Factory Reset was gebracht hat.
Allerdings hat sich was verändert: Bisher hat das Smartphone all meine Wecker ausgeführt und war, sobald es an den PC angeschlossen war, im Dateimanager zu sehen. Für ersteres musste „mein“ Android gestartet werden, also die Version mit allen Einstellungen, die ich gemacht hatte, für letzteres reicht irgendein fertig installiertes Android.
Seit dem Factory-Reset kann ich nach wie vor Neustarts provozieren (merke ich am Vibrationssignal), aber bislang sind weder die Wecker losgegangen noch wurde das Gerät im Dateimanager angezeigt. Augenscheinlich wartet das Gerät nach dem Einschalten darauf, dass jemand es neu einrichtet.
Bleibt die Frage, was der „Wipe“ genau gelöscht hat. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass diese Option ein paar Sekunden dauert. Das Gerät – ein Galaxy A70 – hat 128 GByte an Speicher. Der wird in ein paar Sekunden nicht wirklich gelöscht. Beim Wipe wurden lediglich die Inhaltsverzeichnisse überschrieben. Wer sich auskennt und Zugriff auf das Gerät hat, kann auch jetzt noch den größten Teil der Dateien wiederherstellen, weil die alten Daten noch in den jetzt als frei markierten Bereichen des Speichers liegen.
Über ADB hätte ich einen Haufen großer Datei dort speichern können, bis alle Speicherbereiche mal einen anderen Inhalt hatten.
Aber das geht ja offenbar nicht.
So bleibt nach all dem Gebastel am Ende nur die „Auto-Delete“-Methode:
Das Smartphone wird vor den Reifen eines Autos gelegt und überfahren.