Der #twexit, der Exit von Twitter, ist nach der Übernahme durch Elon Musk momentan eine sehr häufige Aktion.
Im Prinzip ist das ganz einfach. In den Einstellungen zum Account kann man ihn löschen. Twitter wird dann eine Weile die Möglichkeit bieten, sich doch noch anders zu entscheiden, dann wird der Account aber getilgt.
Fertig.
Nein?
Nein.
Es gibt einige Dinge, an die man denken sollte und andere, an die man denken kann.
Direktnachrichten
Das sind diese privaten Nachrichten, die seit ein paar Wochen zu einem wachsenden Anteil aus SPAM bestehen. Warum sollte man die löschen?
Erstmal gehen wir einfach davon aus, dass das Löschen eines Accounts diesen nicht löscht, sondern nur den Namen freigibt und die Loginmöglicheit abklemmt. Wie ich drauf komme?
In meinem Twitter-Datendump, den ich angefordert habe, waren auch DM-Dialoge mit Accounts enthalten, die nicht mehr existieren. Statt des anderen Accounts war dort nur ein numerisches Handle zu sehen, aber die Nachrichten waren noch da. Tatsächlich gelöschte Direktnachrichten waren jedoch nicht mehr zu lesen.
Meine Vermutung nach über 30 Jahren in der IT: Die Accounts werden nicht über den Namen, sondern ein numerisches Handle identifiziert (wie überall in der IT). Bei Direktnachrichten stehen zwei dieser Handles: Das der Absender:in und das der Empfänger:in. Wird ein Account gelöscht, bleibt die DM in der Datenbank.
Wenn ich meinen Account also lösche, sind alle DMs mit allen persönlichen und sehr persönlichen Daten noch in der Datenbank und können von einem aktuellen oder zukünftigen Twitter-CEO noch genutzt werden.
Was beim ausdrücklichen Löschen der DMs passiert ist unklar, ich habe aber die Hoffnung, dass die Accounthandles dann gelöscht werden und die Nachrichten im worst case ohne Bezüge zu einem Account in der Datenbank liegen. Im best case wurden sie tatsächlich gelöscht.
Auf alle Fälle: Bevor Ihr den Account löscht, löscht die DMs.
Tweets
Auf Mastodon hab ich schon gelesen, dass empfohlen wird, alle Tweets zu löschen.
Nun, ich nehme an, dass diese Tweets dann nur ais der Timeline entfernt werden, also nicht mehr angezeigt, aber nach wie vor in der Datenbank stehen. Ob eine DSGVO-Anfrage und Löschaufforderung überhaupt beantwortet wird, wenn diese nicht von einem Anwalt abgeschickt wird, möchte ich bezweifeln (hab so meine Erfahrungen).
Vergesst dabei auch nicht, welche rechtliche Bindung mit Twitter Ihr bezüglich der veröffentlichten Tweets eingegangen seid:
Durch Übermittlung, Veröffentlichung oder Anzeigen von Inhalten auf oder über die Dienste gewähren Sie uns eine weltweite, nicht ausschließliche, unentgeltliche Lizenz (mit dem Recht zur Unterlizenzierung), diese Inhalte in sämtlichen Medien und über sämtliche Verbreitungswege, die gegenwärtig bekannt sind oder in Zukunft bekannt sein werden (zur Klarheit, diese Rechte umfassen z. B. das Kuratieren, Transformieren und Übersetzen) zu verwenden, zu vervielfältigen, zu reproduzieren, zu verarbeiten, anzupassen, abzuändern, zu veröffentlichen, zu übertragen, anzuzeigen und zu verbreiten. Mit dieser Lizenz erteilen Sie uns die Erlaubnis, Ihre Inhalte weltweit verfügbar zu machen und dies auch Dritten zu ermöglichen. Sie bestätigen, dass Twitter mit dieser Lizenz das Recht hat, die Dienste bereitzustellen, zu fördern und zu verbessern und die an oder über die Dienste übermittelten Inhalte gemäß unseren Nutzungsbedingungen anderen Unternehmen, Organisationen oder Einzelpersonen zur Verfügung zu stellen, die mit Twitter zwecks Syndizierung, Ausstrahlung, Verbreitung, Retweet, Werbung oder Veröffentlichung dieser Inhalte in anderen Medien und Diensten zusammenarbeiten. Die von Ihnen im Rahmen der Dienste übermittelten, veröffentlichten, übertragenen oder anderweitig bereitgestellten Inhalte werden von Twitter oder anderen Unternehmen, Organisationen oder Einzelpersonen zusätzlich verwendet, ohne dass Ihnen hierfür eine Vergütung gezahlt wird, da die Nutzung der Dienste durch Sie hiermit als ausreichende Vergütung für die Inhalte und die Einräumung von Rechten hierin vereinbart wird.
Allgemeine Geschäftsbedingungen von Twitter
Twitter darf also viel mit den Tweets machen, sobald sie von Euch veröffentlicht wurden. Ein Ende der Lizenz findet sich in den Terms of Service jedoch nicht ausdrücklich, lediglich ein „Sie können Ihre rechtliche Vereinbarung mit Twitter jederzeit kündigen, indem Sie Ihre Accounts deaktivieren und die Nutzung der Dienste einstellen.“
Da Twitter sich auch die Drittverwertung der Tweets offen gehalten hat und eine Publikation eines Tweets bedeutet, dass dieser auch Dritten zur Verfügung gestellt werden darf, bedeutet ein Zurückziehen der Lizenz, dass diese Drittnutzungen auch keine Rechtsgrundlage mehr haben. So eine Drittverwertung kann auch die Nutzung in einem „Best of“ Buch zu einem bestimmten Thema sein. Spätestens da ist es schwierig, wenn jemand seinen Account löscht den betreffenden Tweet nicht mehr zu nutzen. Daher gehe ich davon aus, dass Twitter die Lizenzen als dauerhaft erteilt ansehen wird.
Prove me wrong, dazu wird allerdings ein Anwalt erforderlich sein.
Seht es einfach so: Die Tweets sind vorsätzlich öffentlich gewesen. Es reicht, wenn sie nach dem Löschen Eures Accounts nicht mehr bei Twitter öffentlich zu lesen sind. Sofern niemand ein Musterverfahren gegen Twitter einleiten will, lohnt sich der Stress nicht.
Das Archiv
Unter https://twitter.com/settings/account könnt Ihr rechts in der Spalte unter „Ein Archiv deiner Daten herunterladen“ alle Tweets und DMs Eures Accounts in einem nicht unkomplexen HTML-Format anfordern.
Ich kann das nur empfehlen, es ist schließlich ein Teil Eures Lebens.
Das Archiv ist allerdings davon abhängig, dass Twitter noch existiert, da es von dort Sachen nachlädt. Das ist doof, aber da wird auch gerade an in der Community an Lösungen gearbeitet.
Noch Fragen? Dann ab in die Kommentare damit.