In dem unsäglichen Rundbrief zweier Mediziner und zweier Kfz-Ingenieure werden Gesundheitsschäden durch Feinstaub und Stickoxide (NOx) in Abrede gestellt.

Man würde Patienten sehen, die an COPD oder Lungenkrebs sterben, aber niemand stürbe an Feinstaubvergiftung oder NOx.

Das Dumme daran ist: Nimmt man es wörtlich, dann haben sie sogar Recht.

Und leider gibt es auch keine Langzeitstuden, die Gesundheitsschäden bei Menschen durch NOx oder Feinstäube nachweisen, was auch ziemlich klar ist, da hierfür ProbandInnen mehrere Monate aus der normalen Welt in eine Laborsituation gebracht und regelmäßig dabei untersucht werden müssten, wie sich ihre Gesundheit verhält, während sie den jeweiligen Stoffen ausgesetzt sind.

Die ProbandInnen zu finden ist dabei genauso ein finanzielles Problem wie die Versuchsanordnung an sich ein ethisches.

Es gibt an Menschen daher lediglich eine Vielzahl an epidemiologische Studien, die besagen, dass Menschen, die in Gegenden mit hohem Ausstoß an Autoabgasen leben, öfter und stärker unter „Lungensymptomen“ leiden, als Menschen, die in besserer Luft leben.

Aus diesen Studien kann man maximal eine Korrelation ableiten, aber keine Kausalität. Diese Menschen sind ja nicht nur NOx oder Feinstaub ausgesetzt, sondern beidem in unklaren Anteilen gleichzeitig und noch zusätzlich etlichen anderen Schadstoffen aus den Abgasen, für die es noch keine Grenzwerte gibt.

Und noch anderen Stoffen, nach denen wir heute noch gar nicht suchen.

Daher kann man aus diesen Studien nicht schließen, wie viele Menschen jedes Jahr durch NOx (oder alternativ Feinstaub) früher sterben oder schwerer erkranken, was die Aussagen der Deutschen Umwelthilfe und anderer Aktivisten über 6.000 oder 12.000 Tote durch Deiselabgase pro Jahr auch wieder aus formellen Gründen wertlos macht.

Was es aber gibt, das sind beispielsweise Studien zu den kurzfristigen Auswirkungen von NO2, also Sticksoffdioxid.

Anhand von Expositionskammer-Untersuchungen an gesunden und vorgeschädigten Testpersonen (insbesondere Jugendliche mit leichten Formen von Asthma) konnte nachgewiesen werden, dass eine (kurzfristige) Belastung gegenüber NO2 zu einer Verschlechterung der Lungenfunktion führt. Hierbei zeigten sich bei Vorgeschädigten vergleichbare Effekte schon bei deutlich niedrigeren Konzentrationen als bei gesunden Personen. In den meisten Studien ergab sich, dass die individuelle Empfindlichkeit sehr unterschiedlich ist (Kraft et al. 2005).


Quelle: Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW

Es ist also bewiesen (!), dass Menschen mit Asthma eine Verschlimmerung ihrer Symptome erfahren, wenn sie gezielt kurze Zeit NO2 ausgesetzt werden. Langzeitstudien dieser Art gibt es auch, aber eben nur an Tieren, was ihre Aussagekraft leider auch einschränkt.

Ganz ähnlich ist es mit Feinstaub:

Als kurzfristige Effekte erhöhter Feinstaubbelastung wurden dabei vor allem Beeinträchtigungen der Atemwege selbst, Wirkungen auf Herz und Kreislauf und erhöhte Sterblichkeitsraten festgestellt.

[…]

In Studien an älteren Menschen wurde eine verminderte Anpassungsfähigkeit der Herzfrequenz an Belastungssituationen dokumentiert. Studien an PatientInnen mit bedarfsgesteuerten Herzschrittmachern wiesen eine deutliche Erhöhung der Schrittmacheraktivität nach
Episoden mit erhöhter Staubexposition auf.

Ich glaube, dass nun klar wird, warum im Rundbrief bemängelt wurde, dass man eben noch keinE PatientIn gesehen habe, der „an Feinstaub“ gestorben sei.

Tatsächlich stirb in Deutschland alle zwei Stunden ein Mensch an Asthma, und wenn Feinstaub und NOx die Symptome eineR AsthmatikerIn verschlimmern, führen sie zwar nicht zu einem Tod (ausschließlich) durch NOx oder Feinstaub, aber möglicherweise zu einem früheren Tod durch Asthma.

Oder zu einer geringeren Lebensqualität durch häufigere Anfälle.

Genauso kann man argumentieren, dass man noch nie einE PatientIn gesehen habe, die am Rauchen gestorben sei, die Leute stürben eben an COPD und Lungenkrebs.

Dass als erweisen gilt, dass 9 von 10 COPD-PatientInnen geraucht haben, kann man genau so wenig wegreden, wie eben die Tatsache, dass Stoffe aus Autoabgasen schädlich sind.

Bedenkt man, dass sich dem Rundbrief nur 3% der deutschen Lungenfachärzte angeschlossen haben und einer seiner Autoren auch noch ziemlich bekannt ist, dann klingt diese Aussage von Lungenfacharzt und Buchautor Kai-Michael Beeh auf SPIEGEL Online auf einmal sehr interessant:

Die Kollegen folgten mit ihrer Unterzeichnung der Stellungnahme dem Aufruf des ehemaligen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, Professor Dieter Köhler, Initiator des Schreibens und seit Längerem in der Rolle des „Renegaten“ präsent: ein Lungenarzt, der die gesundheitlichen Gefahren durch NOx oder Feinstaub für schlicht „erfunden“ hält […]

Ein Arzt, der Auswirkungen von Substanzen für erfunden hält, die durch Dutzende (!) Studien belegt sind? Zusammen mit zwei Ingenieuren aus der Autoindustrie? Und obwohl er Funktionär war und angesehen, unterstützen nur 3% der Fachärzte seine Forderung?

Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

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