Ich hatte vor ein paar Tagen in Mastodon für Umsteiger die ersten Schritte beschrieben, wenn man ins Fediverse möchte.

Heute geht es etwas weiter und auch tiefer in die Materie.

Fediverse

Das Fediverse ist keine Firma und kein Ort, sondern zu Beginn eine Beschreibung von Schnittstellen, über die Inhalte ausgetauscht werden. Mastodon ist kein soziales Netzwerk, sondern lediglich eine der Softwarelösungen, die in der Lage sind, Microblogging im Fediverse zu betreiben.

Schaut man sich die Features von Friendica an, sieht man, dass Friendica auch mit Instanzen unter Mastodon und anderer Software föderiert werden kann. Mastodon ist also eine standardisierte Software, auf deren Basis ich eine lokale Microblogging-Plattform realisieren kann. Durch den offenen Standard können andere Mastodon-Instanzen sich mit meiner Instanz föderieren, aber Nutzer:innen meiner Instanz können auch Friendica- oder Hubzilla-Instanzen „sehen“ und deren Nutzer:innen folgen.

Da es sich dabei um offene Software handelt, ist auch kaum eine Kontrollmöglichkeit gegeben, wer alles dieselbe Software nutzt oder sich durch Änderungen im Code eine quasi eigene Plattform schafft.

Manchmal merkt man, dass eine Person, der man folgt, selber auf einer ganz anderen Software gehostet ist, weil z.b. die Postings nicht, wie ein Toot typischerweise, auf 500 Zeichen beschränkt sind.

Zäune und Mauern

Auch das Fediverse hat Mauern und Grenzen. Die sind aber sehr individuell.

Natürlich wurde und wird die Software Mastodon auch für Dinge genutzt, die illegal sind. Beispielsweise versucht ein US-Blog gerade, eine Art Mastodon-Pizzagate zu konstruieren, weil tatsächlich Mastodon-Instanzen existieren (und existierten), in denen das Posten von Kinderpronographie akzeptiert wurde.

Das freut die Fanboys des, sagen wir mal, rechtskonserativen Elon Musk, denn auf diese Weise wird der „größte Feind von Twitter“ diskredittiert. Weil, „auf Mastodon kann man Kinderpornos posten“.

  1. können: Ja, technisch gesehen sind es erstmal Bilddateien.
  2. dürfen: Nein, denn die Nutzungsbedingungen aller seriösen Mastodon-Instanzen verbieten es, und jedes entsprechende Posting wäre daher potenziell das letzte vor der Sperrung des Accounts. Wie auch auf Facebook oder Twitter oder Instagram.
  3. ein „auf Mastodon posten“ existiert sowieso nicht, da zwar technisch gesehen alle Instanzen mit einander reden können, aber die Admins sehr feingranular auch die Föderation mit bestimmten Instanzen im Fediverse (also auch z.b. unter Friendica und Hubzilla) untersagen können.

Jede Mastodon-Instanz kann unter der standardisierten Adresse <instanzname>/about, also z.B. nrw.social/about oder mastodon.social/about mit einer ausführlichen Liste versehen werden, welche Instanzen von dieser Instanz aus nicht erreichbar sind und warum dies so eingestellt wurde.

Da sind beispielsweise solche Einträge drin, wie auf dieser Liste zu sehen. Wer seit Donald Trumps Amtszeit die sozialen Medien verfolgt hat, wird gab.ai und gab.com sicher kennen: Das ist das Soziale Netzwerk GAB, die Twitter-Alternative für dort gesperrte Fascho-Accounts. Tatsächlich war GAB im Jahr 2019 vermutlich sogar die größte Mastodon-Instanz.

Und auch truth social, das von Donald Trum initiierte Soziale Netz, basiert auf einem Fork, also einer geänderten und angepassten Version von Mastodon und kann mit anderen Mastodon-Instanzen föderiert werden.

Wenn deren Admins das denn erlauben.

Der Versuch, Mastodon pars pro toto zu diskreditieren, weil einzelne es auch für illegale Zwecke nutzen, fällt bei genauer Betrachtung auch GAB und truth social auf die Füße, die auch ein Teil des Fediverse sind und daher auch „ein Teil von Mastodon“.

In den Sperrlisten finden sich regelmäßig auch Instanzen mit dem Begriff „kiwifarm“ im Namen, das war eine Plattform, in der massiv gegen Transsexualität agiert wurde, inclusive Doxxing, Stalking und Listen von Kliniken und Therapeut:innen, die sich um trans Personen psychologisch und medizinisch kümmern und die regelmäßig auf verschiedene Arten angegriffen wurden.

Das alles ist aber, nochmal deutlich, nicht Mastodon, sondern das sind bestimmte Gegenden des Fediverse.

Zensiert Mastodon?

Nein, denn Mastodon ist kein soziales Netzwerk, sondern lediglich eine technische Umsetzung von Fediverse-Schnittstellen, um soziale Netzwerke miteinander kommunizieren und sich föderieren zu lassen.

Was man also schreiben darf auf der jeweiligen Instanz kommt immer auf die Instanz an. Was jeweils geduldet wird und was nicht, ist unter der oben genannten Adresse auf jeder Instanz lesbar, nennt man auch die Nutzungsbedingungen.

Manche Instanzen versuchen, ein Safe Space für bestimmte Personengruppen zu sein, daher werden beispielsweise dort bestimmte andere Instanzen blockiert oder aus der föderierten Timeline ausgeblendet. Das ist zum Beispiel wichtig für LGBTIQ*-Personen, die gerne ein soziales Netz haben möchten, in dem ihnen nicht zufällig diskriminierende oder Hasspostings unterkommen können. Die Admins ihrer Instanzen können daher andere Instanzen in der Sichtbarkeit einschränken, deren Nutzer:innen solche Inhalte verbreiten.

Und wenn eine Person sich auf einer Mastodon-Instanz anmeldet, bei der davon auszugehen ist, dass sie gegen die Hausregeln dort verstößt, kann ein vorsichtiger Admin sie gleich wieder aussperren, wie es der Journalistin Anna Schneider passiert ist.

Aber schon die Tatsache, dass ihr das Anfang November passiert ist, sie es aber erst Mitte Dezember öffentlich macht, als Zensur „auf Mastodon“ thematisiert wurde, zeigt schon, dass das eben Luxusprobleme sind. Auf GAB könnte sie jederzeit einen Mastodon-Account einrichten.

Solche Show-Aktionen wie von Anna Schneider sind derzeit wohl häufiger zu beobachten, um die totalitäre Zensur bei Mastodon zu belegen.

Die Admins

Ich hatte sie schon einige Male erwähnt.

Admins sind die Leute, die eine Mastodon-Instanz betreuen und betreiben. Da sind einmal technische Dinge zu erledigen, damit die Software läuft, aber auch die Moderation der Inhalte muss von Menschen gemacht werden.

Das alles ist aufwändig. Ich würde mir selber nicht zutrauen, eine Instanz alleine auf die Beine zu stellen – technisch wäre das sicher kein Aufwand, it’s my job, aber der Rattenschwanz von Aufgaben und Verantwortungen hinterher wäre mir zu viel. Daher: Wer gerne eine Niederrhein-Instanz haben und dort auch Aufgaben übernehmen möchte, kann mich gerne ansprechen.

Die Admins haben nun selber verschiedene Meinungen und Vorstellungen davon, wie die ein soziales Netz und die Welt aussehen sollen. Die manifestieren sich in den Nutzungsbedingungen und deren tatsächlicher Umsetzung.

Da kann es zu blöden – aber erklärbaren – Situationen komme. Beispielsweise hatte Wil Wheaton, der Darsteller des Wesley Crusher aus Star Trek, mal Probleme auf Mastodon. Auf Twitter war er nach einem inszenierten Melde-Sturm gesperrt worden und verlegte sein „Hauptquartier“ ins Fediverse. Auch dort wurde er das Ziel von Trollerei und fand daher eine Zeit lang keine Instanz, die seinen Account haben wollte, da eben auch diese Trollerei Arbeit mit sich bringt.

Genau so kann es sein, dass die eine Instanz die andere blockt, weil diese früher mal nicht schnell genug unerwünschte Inhalte moderiert hat, das aber schon eine Weile nicht passiert ist.

Wie geht man damit um?

Erstmal akzeptieren. Weil: Die Admins machen das größtenteils als Hobby.

Wenn man dann, irgendwann, mal Kontakt zu den Admins hat, kann man versuchen, zu verstehen und zu vermitteln.

Das ist aber allemal besser als Overblocking durch einen Algo und einen Oberboss mit Dumme-Ideen-Diarrhö wie nebenan im Vogelkäfig.

So, alle verwirrt genug? Dann ist ja gut 🙂

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