Man kommt ja zu nix. Da hat man sich grade ein Thema ausgesucht, um mal etwas tiefer recherchiert zu bloggen, da tritt der Bundespräsident zurück. Und – Pling! – kommt die Inspiration zu einem noch besseren Blogpost. Und was passiert?

Dann wird doch tatsächlich unsere allerliebste Ursula von der Leyen als Kronprinzessin für den Job gehandelt.
(Empörung im Publikum, Zwischenrufe: „DIE?“ – „Was? Zensursula?“ – „OMG!!!111!!“)
Ganz ruhig. Alles halb so schlimm.
Niemand muss auswandern, niemand muss Asyl suchen.
Schauen wir mal kurz zurück, was Frau von der Leyen bislang so gemacht hat. Uns allen ist die Sache mit dem Zugangserschwerungsgestz noch klar. Die rhetorischen Kniffe, mit denen sie sich jegliche Diskussion zu verbitten versuchte, die falschen, verfälschten und zurückgehaltenen Informationen, mit denen die Debatte geführt wurde.
Und aktuell will sie Hartzer zu Straßenfegern umschulen.
Diese Frau birgt als Ministerin explosives Potenzial. Ihre Meinung ist kanonisch, sie hat recht, und alle anderen irren. Zumindest trauen sie sich nicht, ihr öffentlich zu widersprechen. Und sie gesteht keine Fehler ein, sondern redet alles noch schlimmer.
Und das allerschlimmste ist: Diese Frau ist in der CDU so etabliert, dass wir sie so schnell nicht loswerden. Ministerposten auf Bundesebene oder – sollte die CDU mal in die Opposition gelangen – Wortführerschaft in der Fraktion sind ihr sicher.
Was kann sie als Bundespräsidentin böses anrichten?
Schauen wir doch mal in Wikipedia, was ihre Aufgaben als Bundespräsidentin wären:

  • sie vertritt die Bundesrepublik völkerrechtlich,
  • sie beglaubigt diplomatische Vertreter und
  • sie hat auf Bundesebene das Begnadigungsrecht, welches sie allerdings teilweise an andere Bundeseinrichtungen delegiert hat; sie kann aber keine Amnestie aussprechen,
  • Gegenzeichnung, Ausfertigung und Verkündung der Bundesgesetze durch Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt,
  • Vorschlagen eines Kandidaten zum Bundeskanzler zur Wahl durch den Bundestag sowie dessen Ernennung und Entlassung,
  • Ernennung und Entlassung von Bundesministern auf Vorschlag des Bundeskanzlers,
  • Ernennung und Entlassung von Bundesrichtern, Bundesbeamten, Offizieren und Unteroffizieren, sofern nichts anderes durch Anordnungen und Verfügungen bestimmt ist,
  • Möglichkeit zur Auflösung des Bundestages nach dreimalig gescheiterter Kanzlerwahl oder einer gescheiterten Vertrauensfrage.
  • Verkündung der Feststellung des Verteidigungsfalls und Abgabe völkerrechtlicher Erklärungen nach Beginn eines Angriffes sowie
  • Einberufung des Deutschen Bundestages (abweichend von den Parlamentsbeschlüssen)
  • Einberufung der Parteienfinanzierungskommission nach dem Parteiengesetz

Ansonsten repräsentiert sie nur.
Sie kann keine Gesetzesvorlagen einbringen, sie wird keine Reden pro oder contra irgendetwas im Bundestag halten. Minister ernennen und entlassen kann sie nur, wenn der Bundeskanzler bzw. die Bundeskanzlerin das verlangt.
Schlimmstenfalls verweigert sie die Unterschrift unter ein Gesetz. Und angesichts der teilweise fragwürdigen Gesetze, die von Horst Köhler einfach so durchgewunken wurden (und die auch eine Ursula von der Leyen diskussionslos unterzeichnen würde), kann es nicht schlimmer kommen, als es bis gestern Mittag war.
Sehen wir das Positive: Sie hat Sahra Wagenknecht die Hoheit über die Fräulein-Rottenmeier-Frisur überlassen, sie ist eine eloquente und sicher auch stilvolle Repräsentantin der Bundesrepublik. Sie hat Auslandserfahrung. Und selbst, wenn sie Fettnäpfchen findet, wie in der Indien-Argumentation pro Netzsperren… Leute, auch Heinrich Lübke hat nicht zu internationalen Verwicklungen geführt:
httpv://www.youtube.com/watch?v=TB1abwuBakA
Was spricht dagegen, sie den Job machen zu lassen, wenn dadurch sichergestellt wird, dass sie so lange keinen Ministerposten bekleidet?
Also Arsch hoch, das Video von Stromae anwerfen und feiernt!
httpv://www.youtube.com/watch?v=jorxMQxsWVs
Update:
Also doch nicht Frau von der Leyen, und Herr Schäuble auch nicht. Dabei hätte das „Endlagern“ einer der beiden politischen Sollbrandstellen auf dem Prasident/innen-Posten durchaus Charme gehabt.
Aber warum Wulff? Was hat er verbrochen, dass er von Frau Merkel entsorgt werden soll?
Ich bin da schon eher für Gauck. Der Mann, der die Stasi-Akten katalogisiert hat, hat durch seinen besonnenen und rechtsstaatlichen Umgang damit ein hohes Ansehen erworben. Und findet nicht nur im Netz Zustimmung (wie von @diplix, Herrn Lumma oder dieser wundervollen Twitteraktion von @codeispoetry), sondern auch in den Medien. Und dort besonders in einem bewährten, farbübergreifenden „Kampagnentribunal“, wie mspr0 beobachtet.
Ich sehe es trotz der auffallenden Kampagnennatur der plötzlichen Pro-Gauck-Meldungen in BILD/WELT, F.A.Z. und SPIEGEL allerdings keinen Grund, mich nicht für Gauck auszusprechen und auf eine Merkeldämmerung zu hoffen.
Update 2:
Noch eine schöne Aktion vom Pottblog: Eine Ecke in jedem Blog für Herrn Gauck reservieren. Sobald ich mein Theme editieren kann (geht nur von zu Hause) hab ich die Ecke auch.
Update 3:
F!XMBR hat Gaucks Aktivitäten jenseits der Stasiaktenbehörde analysiert und kommt zum Schluss, dass Ursula von der Leyen oder Christian Wullf „bessere Kandidaten“ seien:

Mit Joachim Gauck bekäme Schwarz-Gelb ihren marktradikalen und neoliberalen Spielmacher, was weitreichende Folgen für unseren Sozialstaat und die Schwächsten unserer Gesellschaft nach sich ziehen würde.

Dabei steckt dahinter ein beliebter Denkfehler. Der Bundespräsident ist kein Spielmacher. Der wandert, radelt oder singt „Hoch auf dem gelben Wagen“. Um es mit den Worten des STERN zu sagen:

Das Amt des deutschen Bundespräsidenten ist ein Kuriosum: Er ist der erste Mann im Staat, doch er hat nur sehr wenig zu sagen. Deshalb muss der Präsident viel Reden, um aufzufallen: zu Sylvester im Fernsehen, auf Staatsbesuchen in der ganzen Welt und sehr oft auch auf den unterschiedlichsten Gedenkveranstaltungen. Nur selten sagt er dabei etwas Überraschendes, fast nie fallen Worte, die man so von noch keinem Politiker gehört hätte. Wenn ein Bundespräsident eine Rede hält, bleibt so gut wie immer alles im Rahmen des Erwartbaren.

Kategorien: AllgemeinMeinung

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pascal
14 Jahre zuvor

Und eben deshalb wird sie es nicht. Das Amt markiert eben auch das politische Karriereende. Von der Leyen hat aber noch einiges in Aussicht. Lammert oder Schäuble weniger.

uli
14 Jahre zuvor

Im Prinzip nicht falsch. Noch besser wäre es allerdings, diese fragwürdige Repräsentantin unseres Staates gänzlich zurück in die Küche zu schicken.

[…] Natürlich gibt es noch weitere Unterschiede zu Lübke. Der gravierendste: Der US-Präsident ist mächtigstes Exekutivorgan des Landes, unser Bundespräsident repräsentiert, hat also viel zu reden, aber nichts zu sagen. […]