Im letzten Blogpost schrieb ich von der Art und Weise, wie dank Social Media das Zerwürfnis zwischen CERN-Befürwortern und Menschen, die eine CERN-Apokalypse befürchten, nicht beseitigt wird.
Ein ähnliches Schlachtfeld tut sich beim Thema Homöopathie auf.
Seit ihrer „Entdeckung“ wird sie von den nicht-Homöopathen (ich nenne sie mangels eines anderen verständlichen Begriffs in diesem Post „Schulmediziner“) in die Ecke lächerlicher Spökenkiekerei gestellt. Mir ist es dabei völlig egal, wie wissenschaftlich begründet und belegbar ihre Wirkung ist. Alleine die Tatsache, dass sie seit über 200 Jahren praktiziert wird, belegt zunächst ihre Wirkung. Ob es sich nun um einen großartig inszenierten Placeboeffekt handelt oder wirklich physiologisch etwas dahintersteckt können wir an dieser Stelle dahingestellt lassen.
Wie sie in der Theorie arbeitet, habe ich vor etlichen Jahren mal hier beschrieben. Wer meine Argumente weiter unten verstehen möchte, mag dem Link folgen. Was in dem Artikel bei NEON nicht steht, ist, dass es bei de Homöopathie schon wegen der immensen Verdünnung der Wirkstoffe nicht auf die Menge des Medikaments ankommt, sondern auf die Anzahl der Einzeldosen.
Sprich: Ob ich eine ganze Flasche Globuli auf einmal schlucke oder nur 5 Kügelchen ist dem Homöopathen egal. Wenn ich die ganze Flasche auf einmal verbrauche freut es nur den Apotheker.
Neben der Diskrepanz zwischen dem Anspruch der Mittel, irgendwas zu enthalten, was irgendwas bewirkt, und der Tatsache, dass sie nach heutigen Naturwissenschaften gemessen nichts an Wirkstoff enthalten, was man nachweisen oder auch nur annehmen könnte, dreschen die Homöopathiegegner mit kernigen Generalisierungen auf „Globuligläubige“ ein:

  • Homoöpathen entziehen ihre Patienten einer schulmedizinischen Versorgung
  • Homöopathen behandeln lebensbedrohliche Situationen wie einen Herzinfarkt mit wirkungslosen Globuli
  • Homöopathen sind deshalb eine Gefahr für die Volksgesundheit
  • Homöopathen sind eine Sekte

Dabei gibt es – wie in allen Bereichen – immer solche und solche. „Die Homöopathen“ sind mangels Warenzeichenschutz des Begriffs genauso wenig inhaltlich beschreibbar, wie „Die Blogger“ oder „Die Autofahrer“.
Es wird schon aus Gründen der Wahrscheinlichkeit kaum mal ein Homöopath anwesend sein, wenn ein Mensch einen Herzinfarkt erleidet. Falls Homöopathen sich sich über die Akutbehandlung eines Herzinfarktes mit Globuli austauschen, hat das erstmal nichts zu sagen.
Und alle Homöopathen, die ich kenne, würden selbst beim Herzinfarkt des Patienten, der ihnen gegenüber sitzt, als erstes die gebotene und mögliche „schulmedizinische“ Notfallversorgung durchführen, dann den Notarzt rufen und erst in den 8 Minuten, bis der Notarzt eingetroffen ist, zu Globuli greifen.
Auch die Behauptung, Homöopathen würden ihre Patienten lebenswichtiger schulmedizinischer Versorgung entziehen, ist schnell widerlegt. Bedenkt man, dass der Anteil von schwer erkrankten und an ihrer Erkrankung teilweise verzweifelnden Patienten bei Alternativmedizinern deutlich höher ist und dass viele von ihnen tatsächlich lebenswichtige Medikamente benötigen, müsste es sonst ein Massensterben unter Homöopathiepatienten geben.
Das heisst nicht, dass es nicht – wie überall – auch Scharlatane und unseriöse Menschen unter den Homöopathen gäbe. Aber entsprechende Skandale mit pseudo-schulmedizinischen Heilmethoden oder unnützen und überflüssigen Behandlungen, fahrlässigen Fehldiagnosen und riskanten Medikamenten gibt es auch in der Schulmedizin.
Der größte „Hammer“ unter den „Argumenten“ sind aber die Selbstversuche von Homöopathiegegnern, welche die Wirkungslosigkeit der Mittel plakativ „beweisen“ sollen.
Aktuell ist die 10:23-Challenge. Der Name rührt von der Tatsache her, dass ab einer Verdünnung irgendeines Stoffes um das 10^23-fache kein Molekül des Stoffes mehr in der Lösung enthalten sein kann – was bei den gängigen homöopathischen Potenzen wie C30 der Fall ist. Und was auch nur die wenigsten Homöopathen bestreiten.
Um zu beweisen, dass Homöopathie nicht wirkt, wollen Protestler weltweit eine Überdosis homöopathischer Mittel einnehmen:

The 10:23 Challenge is a follow-up to the ‚overdose‘ protest staged by the 10:23 Campaign in 2010. International protesters from more than 10 countries, and more than 23 cities will gather for over the weekend of February 5-6 2011, to make the simple statement: Homeopathy – There’s Nothing In It.

Wer bis hierhin gelesen hat, weiss, dass die Menge an Globuli, Tabletten oder Lösung keine Rolle spielt. Dazu kommt, dass das homöopathische Mittel eben nicht schulmedizinisch wirkt (bzw. wirken soll).
Nehmen wir das von Homöopathiegegnern gerne herangezogene „stärkste homöopathische Schlafmittel“ Coffea. Schulmedizinische Schlafmittel wirken in der Regel sanft sedierend oder narkotisierend, was bei einer Überdosis bekanntlich lebensgefährlich werden kann. Nach der Theorie von Hahnemann arbeitet der Homöopath anders: Der Patient kann beispielsweise nicht einschlafen, weil er unter Herzklopfen und Unruhe leidet. Das sind Symptome, die wir kennen, wenn wir zu viel Kaffee getrunken haben. Insofern ist – nach Hahnemanns Theorie – die Gabe von Kaffee (Coffea) in homöopathischer Form angesagt. Bei anderen Formen der Schlaf- oder Einschlafstörung kommen andere Homöopathika zum Einsatz.
Coffea hat nun definitiv keine sedierende oder narkotisierende Wirkung. Glaubt man Hahnemann, so beseitigt es gezielt die Symptome, die den Patienten am Einschlafen hindern.
Die 10:23-Challenge-Protestler, die beispielsweise ein ganzes Fläschchen Coffea konsumieren, um zu beweisen, dass es sie nicht umbringt, haben die Theorie hinter der Methode nicht verstanden. Vermutlich haben sich die meisten von ihnen nichtmal im Ansatz damit befasst.
Denn dann wäre ihnen klar, dass die größte Gefahr bei dieser Aktion in etwas Karies besteht, wenn sie die große Menge an Globuli (=Zuckerkügelchen) im Mund zergehen lassen.
Diese Aktion entspräche eines Protests von Homöopathen vor Dialysezentren, wo sie die Wirkungslosigkeit der Schulmedizin nachweisen, indem sie anführen, dass durch Dialyse noch niemandem eine neue Niere gewachsen ist.
Um es nochmal deutlich zu sagen: Homöopathie wird seit 200 Jahren angewandt und hat eine große Verbreitung.
Ob es nun eine wirkliche physiologische Wirkung gibt oder alles nur ein aufwändig inszenierter Placeboeffekt ist, spielt keine Rolle, solange es Patienten gibt, die sich bei einem Homöopathen wohler und besser versorgt fühlen, als in einer „normalen“ Praxis. Die Ursache dafür gilt es zu erforschen, damit im Idealfall alle Patienten davon profitieren können.
Die meisten „globuligläubigen“ Patienten haben schon verstanden, dass die 10:23-Challenge ein globaler Humbug ist, der nur die Menschen, die eh nie zum Homöopathen gehen würden, in ihrer Überzeugung bestärken wird.
Umgekehrt überzeugt sie alle, die sich mit dem Thema etwas mehr als nur oberflächlich befasst haben, dass „die Homöopathiegegner“ anscheinend keine Argumente haben.
Et voilà: Der Graben zwischen Hömöopathen und Schulmedizinern ist wieder ein paar Spatenstiche tiefer. Bravo!


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13 Jahre zuvor

Lieber Volker,

„Diese Aktion entspräche eines Protests von Homöopathen vor Dialysezentren, wo sie die Wirkungslosigkeit der Schulmedizin nachweisen, indem sie anführen, dass durch Dialyse noch niemandem eine neue Niere gewachsen ist.“

*GRÖÖÖÖHL*!!! Sehr hübscher Vergleich.

Auch mein bis dato meistkommentierter Blogbeitrag handelt von der Homöopathie und meiner Sicht darauf:
http://tinyurl.com/22l8rzl

Es entlockt mir ein mitleidiges Lächeln, wenn ich sehe, wie die Homöopathiegegner immer und immer wieder mit denselben Phrasen reingrätschen: „Aberaberaber! Da ist doch nix Wirkstoff drin! Und wo sind die wissenschaftlichen Beweise? Und überhaupt: Homöopathie ist ja so böse! Heulpopeul!“

Sie haben nicht mal im Ansatz begriffen, dass es scheißegal ist, WIE die Homöopathie wirkt. Dass es m.E. eben KEIN reiner Placeboeffekt sein kann, habe ich in meinem Artikel versucht zu begründen. (Auch in diesem Punkt kann man sehr schön verfolgen, wie man bei Zweiflers derartige Argumentationen und speziell meine selbst erlebten Heilerfolge schlicht ignoriert. Zum Schlapplachen, wahrlich!)

Mein Fazit 1:
Wer heilt, hat Recht. Ponkt.

Mein Fazit 2:
SELBSTVERSTÄNDLICH ist ein Homöopath, der versäumt, seine Patienten in entsprechenden Not- oder Spezialfällen an einen schulmedizinischen Facharzt zu verweisen, ein Arschloch. Genau wie ein Schulmediziner, der bei jeder winzigen Mandelentzündung mit Breitbandantibiotika zuschlägt, ein Arschloch ist. (Oh ja, diese Ärzte gibt es. Zuhauf. Man spart sich so nämlich den Erreger-Test. Das ist ja so supi bequem!)
Ein gewissenhafter Homöopath weiß genau, wo Schluss ist mit Kügelchen, gibt in Zweifelsfällen Blutuntersuchungen, EKG oder CT in Auftrag, weiß mit den Ergebnissen daraus etwas anzufangen und spricht sich vor der Weiterbehandlung mit den schulmedizinischen Spezialisten ab. Und einen derart gewissenhafte Homöopathen zu finden, ist ebenso schwierig, wie zwischen all den bocklosen Dottoren einen tatsächlich fähigen Schulmediziner für Zipperlein XY zu finden. Mir ist dieses Kunststück gelungen und ich fahre samt family damit prächtigst.

Mein (Lieblings-)Fazit 3:
Hört endlich auf, auf den „ojemineh so hohen Kosten für Zuckerkügelchen“ herumzureiten. Ich kann eine homöopathische Hausapotheke mit 156 (!) Mitteln etwa zu dem Preis erwerben, den drei Packungen High-End-Betablocker o.Ä. kosten. Diese homöopathische Hausapotheke – woohooo! – reicht dann für den Rest meines Lebens. Nach der mehrstündigen und absolut einmalig anfallenden Erstanamnese, die weniger kostet als eine winzige Zahnfüllung, schlägt eine Folge-Konsultation (vor Ort oder telefonisch) bei meiner Homöopathin mit „satten“ 20,11 € zu Buche. Ermittelt sie ein homöopathisches Medikament, das sich nicht in meiner Hausapotheke befindet, schüttet sie 10 Kügelchen in eine kleine Tüte und gibt sie mir kostenlos mit bzw. schickt sie mir per Post.
All in all führt das zu der Feststellung, dass ich nicht mal eine großartige Kranken-Zusatzversicherung für Homöopathie brauche. DIESE Kosten kann man im Ernstfall auch wirklich privat tragen. Und man spart sich sogar die Zuzahlung in der Apotheke, wenn man sich seine Mittel z.B. einzeln im Internet bestellt oder aus dem schnieken Hausapotheken-Mäppchen greift.

Noch Fragen?

Amüsierte Grüße,

Lilian Kura

quarkkalibur
13 Jahre zuvor

ich habe ein paar jahre in england und schweden gearbeitet.
und weil ich nun mal deutscher bin, galt ich immer als experte für kügelchen.
auch wenn ich keinen schimmer habe, warum die kügelchen von mir verschrieben halfen. sie taten es.

und ich bin wirklich ein schulmediziner, der an sowas nicht glaubt.

13 Jahre zuvor

Was bitte ist das für eine Argumentation? Der Aderlass wurde nicht 200 sondern mehr als 2000 Jahre lang angewendet. Wäre das nicht ein gutes Argument, ihn wieder einzuführen? Da er ein ziemlich invasiver Eingriff ist, wäre der Placeboeffekt vermutlich entsprechend stärker – zumindenst bei den Fällen nichtletaler Anwendung. Ein Arzt, der mir engergetisch aufgeladenes Heilwasser verschreibt, ist ein Quacksalber, der seine Patienten wissentlich oder unwissentlich verarscht. Ich bin ja schon länger der Auffassung, man sollte das Honorar des Homöopathen einfach D4 potenzieren – es kommt ja nicht auf das Geld an, sondern auf die Wirkmächtigkeit aufs Bankkonto.

Am Rande möchte ich noch folgendes Video empfehlen:
http://www.volkerkoenig.de/2011/02/01/noch-mehr-wissenschaftliche-schlammkrieger-homoeopathie/

Oder satirisch: http://www.sheng-fui.de/aktuell/gastbeitraege/gastbeitrag-haushaltstipp-so-machen-sie-das-beste-aus-der-oelkatastrophe/

13 Jahre zuvor

@Enno

Ich könnte mich schlapplachen: Schon wieder einer, der die unhaltbare finanzielle Argumentation ausbuddelt! Hat offenbar meinen Kommentar nicht gelesen und auch sonst keinerlei Erfahrung mit Homöopathie, deren Wirkung und deren Abrechnung.

Nicht dass es mich wundern würde. 😉

13 Jahre zuvor

Ich bezweifle, dass die 10:23-Leute Homöopathie nicht verstanden haben. Ich glaube eher, dass sie nicht an geisterhaft energetisch aufgeladenes Wasser glauben. Eine soweit verdünnte Substanz ist nämlich nichts anderes.

Wenn die Patienten mehr Zuwendung brauchen, sollten wir über entsprechende Gesprächstherapie reden und nicht über Homöopathie.

@Textzicke: Ich habe durchaus Erfahrung mit Homöopathie und ihrer Wirkung. Ich habe sogar mal in einem spezialisierten Verlag gearbeitet, was ich heute mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren könnte.

Im Grunde ist mir egal, was jeder so für sich glaubt. Das Gefährliche an Homöopathie ist, dass Heilpraktiker sie ihren unwissenden Patienten verschreiben (habe neulich eine Umfrage gelesen, wonach die allermeisten Leute gar nicht wissen, was Homöopathie ist) und viel schlimmer – ihren Kindern und Haustieren verabreichen, welche sich gegen die Behandlung nicht wehren können.

Wenn Homöopathie wirkt, warum gibt es dann noch immer keine Doppelblindstudie, die das belegt? Wer den Beweis erbringt, könnte heute Millionär sein.