Über die Probleme der Ladeinfrastruktur für E-Autos hab ich ja schon mehrmals geschrieben.

Dabei habe ich mich auf die Ladeproblematik bei Langstreckenfahrten beschränkt. Ladestationen an Autobahnen oder Autohöfen sollen im Idealfall die Ladefähigkeit des Autoakkus (also das Tempo, in dem er maximal geladen werden kann) zu 100% ausnutzen und so schnellstmöglich die Weiterfahrt ermöglichen.

Aber wie ist das im Alltag? Wie und wo lade ich mein Auto, wenn ich die täglichen Strecken fahre?

In meinem Fall ist das ganz einfach: Als Hausbesitzer mit eigener Garage haben wir eine Wallbox. Die liefert 11kW und der 39kWh Akku in unserem Hyundai ist damit in 3 1/2 Stunden von 0 auf 100% geladen. In der Regel dauert der Ladevorgang 90-120 Minuten, da wir faktisch nie mit dem letzten Rest Ladung ankommen und nur dann auf 100% laden, wenn die nächste Fahrt eine Langstrecke ist.

Die Zeit, in der das Auto in der Auffahrt rumsteht, ist aber erheblich länger. Die, sagen wir mal, 22kWh, die wir so im Schnitt laden, müssen nicht in zwei Stunden im Akku sein. Da das Auto eh bis zum nächsten Morgen nicht benötigt wird, kann das auch länger dauern, ein Ladestrom von 2kW, der den Akku in 11 Stunden auf denselben Stand laden könnte, würde an den meisten Tagen völlig reichen.

Aber wie laden Leute, die keine eigene Garage haben?

Die sind auf öffentliche Ladestationen angewiesen. Da gibt es grob gesagt zwei Arten: Welche, die mit Drehstrom und bis zu 22kW laden und die Gleichstrom-Schnelllader, die insbesondere an Autobahnen stehen, aber auch an immer mehr innerörtlichen Punkten.

Schnelllader schaden auf Dauer dem Akku. Sagt man jedenfalls, die Aussagen der Autohersteller und Akkufachleute zu diesem Thema beginnen meist mit einem „kommt drauf an“, aber auf jeden Fall sind sie schon deshalb unbeliebter als die langsameren Stationen, weil der Strom dort teurer ist. Um 300kW durch einen Stecker ins Auto zu bringen braucht man wassergekühlte Leitungen zwischen Auto und Ladestation – und die 300kW muss man auch erst mal über entsprechende Kabel anliefern.

Die 11-22kW Ladestationen brauchen aber wieder genau die Zeit, die unsere Wallbox auch benötigt. Mit dem Elektroauto fährt man also nicht schnell tanken und gleich wieder nach Hause, sondern benötigt Ladesäulen in der Nähe des Hauses, damit man nicht im Zweifel zwei Stunden Aufenthalt hat, bis der Akku voll ist, sondern erst nach Hause und nach dem Laden wieder zum Auto gehen kann. In Urlaubsregionen habe ich solche Ladestationen oft an Parkplätzen von Touristenattraktionen gefunden. Man ist eh meistens 2-3 Stunden am Strand, dann kann das Auto in der Zeit auch laden.

Das ist aber nicht der Alltag. Im Alltag ist das eher kompliziert. Man kann zwar über einschlägige Apps sehen, welche Ladestationen in fußläufiger Nähe gerade frei sind, aber mit jedem zusätzlichen E-Auto auf der Straße steigt das Risiko, dass die Station, während man hin fährt, von jemand anders für die nächsten 1-3 Stunden belegt wird.

Ähnlich bei Ladesäulen an Supermärkten. Ich kann dort während des einstündigen Wocheneinkaufs 22kWh laden, wenn Auto und Ladestation das schaffen, aber ich habe keine Garantie, dass eine der Ladestationen auf dem Supermarktparkplatz auch frei ist.

Ich bin ja nun daheim Vorsitzender des Ausschusses für Moblität, Digitalisierung und Wirtschaftsförderung, und im Frühling hat der örtliche Versorger (NEW) auf Wunsch einer Wählergemeinschaft mal vorgetragen, wie es mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur strategisch so aussieht. Und der Vortrag war interessant.

Die Kosten für eine der langsamen Stationen mit zwei Anschlüssen liegen bei 7000-13000€, je nach Modell und Aufwand für die Infrastruktur. Das ist Geld, das auch wieder reingeholt werden muss. Das Problem der NEW: Die Ladestationen an öffentlichen Parkplätzen sind nicht hinreichend lang belegt. Die Ladezeiten der gesamten Säule liegen bei zum Teil nicht einmal 3 Stunden am Tag bei manchen im Durchschnitt nur bei 30 Minuten täglich.

Das ist zu wenig.

„Aber Moment, ich hatte mir überlegt, ein E-Auto anzuschaffen, und da ich keine Möglichkeit für eine Wallbox habe, hab ich die Ladestation in der Nähe meiner Wohnung mal im Auge behalten. Die am Wilhelmplatz. Da ist eigentlich rund um die Uhr wenigstens ein Ladeanschluss belegt, das war mir für den Alltag zu unsicher, dass ich da laden kann“, sagte ein Mitglied der Wählergemeinschaft.

Die beiden Mitarbeiter der NEW waren irritiert. An der Station werden jeden Tag nur rund 4 Stunden lang Autos geladen. Dann kann die doch nicht 12 Stunden oder länger am Tag blockiert sein?

Dabei ist die Lösung ganz einfach: Es ist ein sehr zentral gelegener P&R-Platz. Direkt daneben sind eine Reihe Haltestellen von Bus und Bahn. Das legt nah, was passiert: Menschen kommen morgens dort mit dem Auto an, um mit den Öffentlichen zum Arbeitsplatz zu fahren.

Und laden in der Zeit Ihr Auto.

Das ist zwar in zwei Stunden spätestens voll, aber man kann das Auto nicht abklemmen, weil man ja bei der Arbeit ist. Und abends kommen dann die Anlieger und von denen wollen auch ein oder zwei ihre Autos laden und lassen die halt über Nacht stecken. So kommt man auf 4 Stunden Ladezeit bei 12-18 Stunden Belegung der Säulen.

Als unsere Wallbox noch nicht da war und ich das Auto an der 500m entfernt auf einem Parkplatz befindlichen Ladestation geladen hab, waren die 500m Distanz zwar kein KO-Kriterium, aber schon lästig. Wenn ich den Wagen am Vorabend eines Bürotags geladen habe, war ich versucht, ihn erst morgens dort wieder „abzuholen“. Was aber ich aber nie tat, weil mir klar war, dass ich morgens noch weniger Lust haben werde, die 500m zu laufen.

Wir sehen also: In ländlichen Bereichen oder Vororten mit vielen privaten Garagen, in denen Wallboxen montiert werden können, ist das Ladethema leicht zu lösen. In urbanen Gegenden mit überwiegend Mehrfamilienhäusern ohne eigene Garagen ist es mit den beiden bislang beschriebenen Lademethoden doof und unattraktiv.

Auf meine Frage, wie das denn mit dem „Laternenladen“ oder dem „Bordsteinladen“ aussehen würde, winkten die Herren von NEW ab. Ist auch klar, warum: Laternen haben zwar Stromleitungen, aber die gehören der Stadt und liefern keine 11kW sondern vielleicht bei Dauerlast 2kW. Und der „Ladebordstein“ ist noch in der Erprobungsphase (ich bin selber gespannt, wie gut das funktioniert).

Aber genau diese beiden Lademethoden könnten die Zukunft sein. Eine Ladestation an der Laterne ist für deutlich weniger Geld zu realisieren, als die Ladesäule auf dem öffentlichen Parkplatz. Und durch den geringeren Ladestrom wird die Infrastruktur auch besser genutzt. Denn man muss das Auto nur in „Kabelreichweite“ der Laterne parken und kann es dann in den meist 10 Stunden, die es zu Hause rum steht, mit 20kWh nachladen, was auch bei Fahrzeugen mit extrem viel Verbrauch und einer Laterne mit schwachem Stromanschluss 100km Reichweite bedeutet.

Man könnte die Laterne auch bei Gelegenheit aufrüsten, damit sie statt 2kW 4 oder 6 kW liefert (und damit doppelt oder dreimal so schnell lädt).

In einer E-Auto-Gruppe auf Facebook hab ich zu dem Thema mal eine Umfrage gemacht. Ich fragte ausdrücklich Leute, die in der Stadt wohnen und ein E-Auto haben oder anschaffen wollen, wie sie dies optimal laden könnten.

818 Personen nahmen an der Umfrage teil. Die von mir vorgegebenen Möglichkeiten incl. der Stimmen dafür:

LadestationStimmenProzent
300kW analog einer Tankstelle24930
22kW an einem Ort, den man eh aufsucht21526
22kW an einem Parkplatz, dort abstellen bis zur nächsten Fahrt7910
22kW an einem Parkplatz, dort abstellen bis Akku voll ist456
2-6kW am Straßenrand (Laterne, Bordstein)23028

Man sieht, dass ausgerechnet das, was innerorts von den Versorgern (zumindest von unserem) präferiert wird, mit insgesamt 16% am wenigsten den realen Wünschen der E-Auto-Fahrer:innen entspricht. 30% hätten gerne wie früher einen Ort, an den man fährt, tankt bzw. lädt und dann wieder weiter oder nach Hause fährt. Bei 300kW sind 50kWh unter optimalen Bedingungen auch in deutlich weniger als 10 Minuten im Akku. Das reicht gerade für einen Kaffee.

Die Ladestation an einem Ort, an den man eh fährt (Schwimmbad, Einkaufszentrum) wünschen sich 26% der Befragten.

28% würden das Auto am liebsten da, wo es eh an der Straße abgestellt wird, gleich laden können, egal, wie langsam. Es steht ja. Also an der Laterne, dem Bordstein, wie auch immer, man hat ja Zeit.

Warum planen nur so wenige örtliche Versorger solche Lademöglichkeiten? Realitätsferne? Ignoranz?

Bald wird sich die Akzeptanz der beiden eh nur bei 10% beliebten Variante „Ladesäule auf Parkplatz und Auto bis zur nächsten Fahrt angeschlossen lassen“ hier in der Gegend sogar noch verschlechtern. Die NEW verlangen ab dem 1.10. nämlich eine Blockiergebühr. Das heißt, wer dort lädt, zahlt pro kWh 45ct, und nach 240 Minuten pro Minute zusätzlich 5ct. Blockiergebühr. Wenn ich den Wagen um 18 Uhr nach der Arbeit anschließe und erst nach 13 Stunden um 7 Uhr wieder abhole, zahle ich alleine 27€ Blockiergebühr. 25 kWh, also eine typische halbe Akkufüllung, kosten hingegen keine 12€.

Die Option „an die Ladesäule anschließen und bis zur nächsten Fahrt stehen lassen“ entfällt also für die meisten Kund:innen, was die Ladezeiten an der Säule am Wilhelmplatz auf deutlich unter 4 Stunden am Tag wird sinken lassen.

Dabei sind Blockiergebühren vollkommen marktüblich und sinnvoll, da sie die Verfügbarkeit von Ladesäulen verbessern. Was an hoch frequentierten Stellen wie Rastplätzen oder Ausflugszielen durchaus ok ist. Man will den Missbrauch der Ladesäule als Parkplatz eindämmen und vertreibt damit aber in unserem Fall exakt den den Teil der Kund:innen, die diese eine Ladestation zu der mit der längsten täglichen Ladezeit in Tönsivorst gemacht hat.

Kategorien: Allgemein

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